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VDZI bezieht Position am Beispiel des intraoralen Scannens – gemeinsame Schnittmengen

Digitale Technologien wie Intraoralscanner und elektronische Systeme zum Beispiel in der Funktionsdiagnostik verändern nicht nur Workflows in Praxis und Labor. Sie werfen auch Fragen auf, ob die bisherigen Aufgabenverteilungen zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern noch sinnvoll und zeitgemäß sind. Der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) greift das in einer pointierten Stellungnahme am Beispiel des intraoralen Scannens auf.

Nachfolgend die Mitte Juli 2019 auf Facebook veröffentlichte Stellungnahme „Wir sagen: Einspruch“ des VDZI im Wortlaut.

„Intraorales Scannen. So selbstverständlich ist die Sache nicht.“

„Zunächst lehrt die Erfahrung. In vielen Fällen bestimmt der Blick auf das Portemonnaie die eigene Weltsicht. Warum also sollte es beim zahnärztlichen Blick auf das Gebührenrecht anders sein.

So zu sehen in den Zahnärztlichen Mitteilungen (zm) Nr. 14 vom 16. Juli 2019, in der über „33 Beschlüsse zur Auslegung der GOZ“ berichtet wird. Unter Beschluss 33 finden sich Ausführungen über „Elektronische Funktionsdiagnostik durch Zahntechniklabore“.

Bei der Funktionsdiagnostik werden die Kaubewegungen erfasst und bewertet mit dem Ziel, das höchst individuelle Zusammenspiel von Kiefergelenken, Muskeln, Sehnen und den Zähnen für eine optimale Herstellung der zahntechnischen Versorgung zu berücksichtigen. Die elektronische Funktionsdiagnostik setzt die elektronische, das heißt sensorgestützte digitale Aufzeichnung der Kaubewegungen voraus.

Der eingeübte zahnärztliche Weltsichtreflex äußert sich wie üblich: Die Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund-, und Kieferkrankheiten ist allein dem Zahnarzt zugeordnet. Dieser ist zuständig für Diagnose und Therapie. Elektronische Funktionsdiagnostik ist Diagnostik. Deshalb ist eine Übertragung an Zahntechniker ein Verstoß gegen das Zahnheilkundegesetz.


Quelle: VDZI

Elektronische Funktionsdiagnostik – ein weites Feld. Es kann hier nicht beackert werden. Aber der in diesem Beschluss gemachte Hinweis, dass eine Übertragung, „insbesondere“ auch intraorales Scannen, auf den Zahntechniker nicht zulässig sei, verdient Aufmerksamkeit.

Andere Bewertungen und Zuordnungen

Unzulässig! – Das liest sich so hin, doch eine solche Aussage erscheint in ihrer Rigorosität mindestens zweifelhaft. Im Grunde könnte man kein anderes rechtliches Bewertungsurteil erwarten, wenn man den intraoralen Scan mit einer konventionellen Abformung mittels Abdruckmaterialien gleichsetzt. Neue Technologien aber können zu einer anderen Bewertung und Zuordnung zu Berufsfeldern führen, die sogar gemeinsame Schnittmengen aufweisen können.

Ein Abwägungsgrund könnte der Vergleich des Gefahrenpotenzials des Patienten bei einem intraoralen Scannen und der konventionellen Abformung sein. Ein weiter Abwägungsgrund könnte die originäre Funktion der Tätigkeit des intraoralen Scannens, ihrer notwendigen technischen Fähigkeiten und das Tätigkeits- und Erfahrungsspektrum des Zahntechnikermeisters im Bereich digitaler Dentaltechnologien sein.

Bei beiden Bewertungskriterien ergeben sich durchaus diskussionswürdige qualitative Systemunterschiede, die nahelegen können, dass der Zahnarzt und der Zahntechnikermeister gleichermaßen das orale Scannen als Inhalt ihres jeweiligen Berufsbilds annehmen können.

Gefahrenabwehr und Berufsfreiheit

Bei der Abwägung des Gesetzgebers, ob die Berufsfreiheit des Einzelnen eingeschränkt werden darf oder nicht, spielt gerade im Bereich der Gesundheit das Argument der Gefahrenabwehr eine besondere Rolle. Auf dem Argument der Gefahrenabwehr basiert die Exklusivität der Zuweisung einer Tätigkeit als Ausübung der Zahnheilkunde an den approbierten Zahnarzt. Diese Regelungen dienen dem Schutz von Leib und Leben der Patienten, das heißt dem Schutz der Bevölkerung, als besonders wichtigem Gemeinschaftsgut. Das Verfassungsgut der Gefahrenabwehr ist dem Gesetzgeber wichtiger als das Verfassungsgut der Berufsfreiheit.

Das Ergebnis einer solchen Abwägung kann sich bei einer neuen Technologie ändern. Im Falle einer konservativen Abformung mögen sicher gewichtige Gefahren gegeben sein, die der Zahntechnikermeister aufgrund seiner Ausbildung nicht zu beherrschen vermag. Dies sind beispielsweise Gefahren des Verschluckens von Abformmaterial oder das Beschädigen von Zähnen mit dem Abdrucklöffel.

Exklusive Zuordnung an den Zahnarzt nicht zwingend

Diese möglichen Gefahrenquellen entfallen jedoch bei einem nahezu kontaktlosen Intraoralscan. Bei einer Abwägung zwischen Gefahrenabwehr und Berufsfreiheit ist es daher nicht zwingend, diese Tätigkeit exklusiv dem Zahnarzt zuzuordnen und den Zahntechniker in seiner Berufsausübung einzuschränken.

Dies gilt, zumal es sich bei dem Scan nicht um eine „berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“ im engeren Sinne handelt, sondern um die Erlangung von Basisdaten, auf der weitere Schritte fußen. Dass der Zahntechnikermeister hierzu technisch in der Lage ist, ist unstrittig.

Vergleich zu Gesundheitshandwerken

Die Vermessung von Objekten zwecks der Erlangung von Daten, aufgrund derer die Planung und Erstellung eines Werkstücks erfolgen kann, ist üblicherweise die Basis jeder individualisierten handwerklichen Tätigkeit. So gehört beispielsweise die mit der Abformung der Zahnsituation zumindest technisch vergleichbare Abformung des äußeren Ohres zum Berufsbild des Hörakustikermeisters und ist somit explizit eine handwerkliche Tätigkeit.

Dafür, dass die digitalen Abformung (Scan) ebenfalls zum Berufsbild des Zahntechnikermeister gehört und entsprechende technische Fähigkeiten üblicherweise vorhanden sind, spricht – neben den vorhergehenden Ausführungen –, dass „Scannen mit unterschiedlichen Verfahren, zum Beispiel intra- und extraoral, taktil und optisch“ heutzutage bereits Auszubildenden im Rahmen eines Lehrgangs der überbetrieblichen beruflichen Bildung zur Anpassung an die technische Entwicklung im Zahntechniker- Handwerk vermittelt wird.

Ausübung der Zahnheilkunde, aber nicht exklusiv

Insgesamt gesehen mag man die Ansicht vertreten, dass der Intraoralscan auch Ausübung der Zahnheilkunde ist. Aber eben nicht exklusiv. Es handelt sich gleichzeitig auch um eine genuine Tätigkeit des Zahntechniker-Handwerks, die von ihren Anforderungen her vom Zahntechnikermeister beherrscht wird und ihre Ausübung nicht der zahnärztlich-wissenschaftlichen Kenntnisse des approbierten Zahnarztes als freier Beruf bedarf.

Für jedes neue Verfahren die Frage neu stellen

Am Beispiel des intraoralen Scannens zeigt sich: Für jedes neue Verfahren wird die Frage neu gestellt und zu bewerten sein. Und nicht in jedem Fall werden Zahnärztevertreter zukünftig weiter darauf vertrauen können, dass die Rechtsprechung im Bereich der Zuordnung zum Zahnheilkundegesetz eher restriktiv bewertet und den Verstoß mit hohen Strafen ahndet.

Warum ist es nicht denkbar, dass Zahnärzte und Zahntechniker sich darauf verständigen, dass die Tätigkeit rechtlich zu beiden Berufsbildern gehört und es dann auch möglich machen, dass der Zahntechnikermeister, dem der Zahnarzt hinsichtlich seiner Fachkompetenz und Erfahrung vertraut, diesem seine Leistung anbieten kann, wenn er es und sein Kunde in ihrem Vertragsverhältnis wünschen? – Intraorales Scannen – nicht so exklusiv, wie es scheint.“

Titelbild: Ikonoklast Fotografie/Shutterstock.com
Quelle: VDZI Politik Unternehmen Dentallabor

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