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Prof. Karl Lauterbach ist neuer Bundesgesundheitsminister – Dr. Uwe Axel Richter mit einem kritischen Blick auf Person und Positionen

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach

(c) BMG/Thomas Ecke

„Wir bekommen Karl! Was lange währt, wird endlich gut. Ein Ausspruch, den auch wir heute mal verwenden dürfen. Am Morgen wurde verkündet, dass unser Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach Gesundheitsminister in der nächsten Bundesregierung wird.“

Dass sich hier der SPD-Unterbezirk Leverkusen freut, ist nachvollziehbar. Hat doch der in „seiner“ SPD rückblickend betrachtet wenig geliebte Karl Lauterbach – die NRW-SPD setzte den Gesundheitsexperte für die Bundestagswahl 2021 auf Platz 23 der Landesliste – den Wahlkreis Leverkusen-Köln IV direkt gewonnen. Mal wieder.

Fünf Mal hintereinander den Wahlkreis gewonnen

Denn dieses Kunststück gelang Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl Wilhelm Lauterbach, seit 2001 SPD-Mitglied (zuvor war er Mitglied der CDU), seit 2005 bereits fünf Mal hintereinander. Mit einem solchen „track record“ sollte man in einer Partei wie der SPD eigentlich zur obersten Führungsetage gehören, sogar als ministrabel, zumindest aber als politisches Schwergewicht gelten. Doch irgendwie gehörte Karl Lauterbach niemals so wirklich zu diesem illustren Kreis. Zwar war er von 2013 bis 2019 Fraktionsvize und dort unter anderem für das Thema Gesundheit zuständig. Doch diesen Posten gab er auf, als er sich gemeinsam mit Nina Scheer um den SPD-Vorsitz bewarb. 14,6 Prozent der SPD-Mitglieder votierten für das Duo, Platz 4.

Doch dann kam Corona – und der bereits zuvor stetig in den Medien gegenwärtige Warner für potenzielle Gesundheitsgefahren Karl Lauterbach stieg 2021 zum präsentesten (Gesundheits)-Politiker auf. Und das nicht nur in der politischen Echokammer namens Twitter, sondern in den meinungsbildenden Talkshows, insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit 40 Auftritten gelang Karl Lauterbach in diesem Jahr das Kunststück, seine Auftritte fast zu verdreifachen und so auch einen großen Teil der Berichterstattung des Folgetags zu beherrschen.

Der Mühen Lohn: unangefochtener Talkshow-König 2021! Allerdings errang Lauterbach diesen Titel weniger als SPD-Politiker denn als Karl. Und das machte in der Folge des Nominierungsprozesses für die Minister denn auch das Problem aus.

Eigentlich der gesetzte Kandidat …

Denn angesichts seines beruflichen Backgrounds und seiner gesundheitspolitischen Erfahrungen sollte die Nominierung Lauterbachs zum Bundesgesundheitsminister doch eigentlich Formsache sein. Immerhin gestaltete er bereits als Mitglied des Sachverständigenrats Gesundheit und Berater der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt von DRG bis TI viele der heute das Gesundheitssystem prägenden Entwicklungen mit. Ob der Grund für das eigentlich unnötige Hinauszögern seiner Benennung als Kandidat wirklich nur parteiinterner Proporz beziehungsweise Quote war? Oder hatte man in der SPD ganz andere Vorbehalte, zum Beispiel hinsichtlich des Führungstalents?

Während also der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz schwieg und sich Lauterbach in demütigen Wortspenden übte, kam es zu einer bis dato beispiellosen Medienkampagne. Von „BILD“ bis Twitter wurde unter dem Hashtag „#wirwollenKarl“ von fast allen Medien für Lauterbach als Gesundheitsminister getrommelt. Selbst die „BILD“ ging im seltenen Gleichschritt mit Stern, Focus und Co. und in der Überzeugung: Lauterbach kann Corona.

Und trotzdem dauerte es bis zwei Tage vor der Vereidigung am 8. Dezember 2021, bis Olaf Scholz endlich Vollzug für die letzte noch offene Ressortpersonalie verkündete: Lauterbach soll Bundesgesundheitsminister werden. Angesichts der dünnen Personaldecke mit erfahrenen Gesundheits-Politikern hätte die SPD es kaum argumentieren können, Lauterbach nicht nominiert zu haben.

Spiel über Bande unter Verbündeten im Geiste

Denn Lauterbach war und ist nicht nur das Aushängeschild der Partei in Sachen Corona-Kompetenz, er agierte auch gemeinsam mit Spahn in der nun schon fast zwei Jahre andauernden Sars-CoV-2-Pandemie. Von Rückendeckung bis thematisch über Bande spielend. Der jede Coronawelle mit düsteren Szenarien und starken Worten surfende SPD-Gesundheitsexperte lieferte in schöner Regelmäßigkeit die Begründungen für die Spahn‘schen Maßnahmen. Mit dem erheblichen Unterschied, dass er Politiker, Experte und Arzt in einer Person ist, was das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung in die politische Person Lauterbach und deren Aussagen erklärt.

Doch Spahn und Lauterbach sind, trotz verschiedener Parteizugehörigkeit und so unterschiedlich beide auch wirken mögen, auch Verbündete im Geiste. Zum Beispiel in der Nähe zu Großkonzernen. Lauterbach wirkt dabei im Gegensatz zu Spahn jedoch wie ein Anwalt des „kleinen Mannes“. Was ihn nie daran hinderte, gemäß seiner US-amerikanischen Prägung vornehmlich „angebotsseitig“ zu handeln, wie es Prof. Gunter Frank einmal ausdrückte. Ob es wirklich nur Pech war, das die in seinen frühen Institutsjahren durchgeführten marketingrelevante Studien für Bayer (Lipobay), Knoll (Reductil) oder auch Unilever alle für Produkte waren, die – nachdem Lauterbach sich öffentlich positiv positionierte – kurze Zeit später wieder vom Markt genommen werden mussten? Oder seine Zeit im Aufsichtsrat der Rhön-Kliniken, seine engen Verbindungen zum Bertelsmann-Konzern und dessen Stiftung – selten sind die Interessen der Großkonzerne weit entfernt.

Kaum inhaltliche Unterschiede zu Spahn zu erwarten

Man darf also davon ausgehen, dass die wesentlichen Punkte der Spahn‘schen Gesundheitspolitik fortgeführt werden. Dies hat wenig damit zu tun, dass Lauterbach Spahn trotz heftiger Kritik an dessen Impfstoffbevorratung in Schutz nahm. Die Positionen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens, zur Klinikstruktur in der Fläche (Bettenabbau), zum Arzneimittelversand oder auch den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) sind konzilianter formuliert, aber nahezu identisch. Spannend wird also sein, wie Lauterbach mit den ärztlichen Kollegen in der ambulanten Versorgung umgehen wird. Denn die Finanzdecke ist nach knapp zwei Jahren Corona und einem ausgabenfreudigen Vorgänger im Amt sehr kurz. Weniger Bürokratie scheint angesichts seiner Positionen bei Themen wie Qualitätssicherung etc. eher ein frommer Wunsch zu bleiben.

Lauterbach sei „ein versierter Kenner des komplexen Gesundheitssystem“ schrieb KBV-Chef Gassen in seiner Gratulation an Lauterbach zum Amtsantritt. Aber das war Spahn auch. Es gibt allerdings einen gewaltigen Unterschied: In großen Teilen der Öffentlichkeit wird Lauterbach als Arzt und Wissenschaftler und erst dann als SPD-Politiker wahrgenommen. In dieser Reihenfolge. Da werden permanente Warnungen als Fürsorge empfunden, selbst dann, wenn sie sich im Nachhinein als falsch erweisen sollten.

Berufspolitik wird nicht einfacher werden

All das wird die Berufs- und Standespolitik für die ambulante medizinische und zahnmedizinische Versorgung nicht einfacher machen, perspektivisch sogar eher schwieriger, man erinnere sich nur an Dr. Philipp Rösler als Gesundheitsminister. Und ob die bereits von der neuen Regierung angekündigten Kommissionen und Expertengremien Entscheidungen besser machen oder gar beschleunigen, darf bezweifelt werden. Das bereits etablierte wissenschaftliches Expertengremium für Fragen der Corona-Pandemie ist nur der Anfang.

Sicher ist: So, wie uns das Corona-Virus über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel keine Verschnaufpause gönnen wird, wird auch Karl Lauterbach in diesen Tagen omnipräsent sein. Und jetzt nicht mehr als Talkshow-Mahner, sondern als verantwortlicher Minister. Ob er Pandemie in diesem Amt besser „kann“ als sein Vorgänger – wir werden sehen. Ebenso wie bei den vielen anderen Problemen und Baustellen im Gesundheitswesen.

Jetzt aber wünsche ich Ihnen erst einmal ein paar hoffentlich ruhigere Tage zum Fest und einen guten Start ins neue Jahr – möge es uns vor allem positive Überraschungen bringen.

Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

 

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