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Eine Beschreibung der relevanten Einflussfaktoren für die apikale Präparationsgröße – wichtig ist die Kombination chemischer und mechanischer Desinfektionsmaßnahmen

Histologische Ansicht der Anatomie der Wurzelspitze.

Der Beitrag von Dr. Sarah Siedek für die Endodontie 2/20 thematisiert die apikale Präparationsgröße und für deren Festlegung relevante Einflussfaktoren. Nach dem heutigen Stand des Wissens herrscht kein Konsensus im Hinblick auf die Größe der apikalen Präparation und die angestrebte apikale Konizität, sodass keine abschließende Präparationsempfehlung gegeben werden kann. Fakt ist jedoch, dass nur durch die Kombination von chemischer und mechanischer Desinfektion eine effektive Reduktion der Mikroorganismen gewährleistet werden kann. Somit besteht eines der vorrangigsten Ziele der Wurzelkanalpräparation neben der Ausformung und dem Abtrag von infiziertem Wurzelkanalwanddentin und Biofilm darin, eine effektive chemische Desinfektion des Wurzelkanalsystems zu ermöglichen.

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.

Vor allem der apikale Abschnitt des Wurzelkanals steht aufgrund seiner anatomischen Varianz1 immer wieder im Fokus der Betrachtung und wurde schon frühzeitig als „kritische Zone“ der endodontischen Intervention identifiziert2. Hier sind die meisten Verbindungen zwischen dem Wurzelkanalsystem und dem periapikalen Gewebe und somit die entscheidenden Infektionswege des Periapex lokalisiert.

Anatomische Grundlagen

Die apikale Konstriktion, das Foramen minor, stellt definitionsgemäß die engste Stelle des Wurzelkanals dar3. Von dort erweitert sich der Wurzelkanal trichterförmig zum Foramen apicale (Foramen major), welches der Öffnung des Wurzelkanals auf der Wurzeloberfläche entspricht (Abb. 1).

Einige Studien stellen jedoch das Gedankenmodell einer singulären, punktförmigen Konstriktion infrage und zeigen, dass sowohl die Position als auch die Dimension der apikalen Konstriktion anatomischen Variationen unterliegen4,5. Dummer et al.5 klassifizieren vier Typen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit des Auftretens: Die traditionelle, singuläre, punktförmige Konstriktion (46 Prozent) wird von einer konisch verlaufenden Kon­striktion mit dem kleinsten Querschnitt am apikalen Ende (30 Prozent), von mehreren aufeinanderfolgenden Konstriktionen (19 Prozent) und von einem parallelwandigen Verlauf der Konstriktion (5 Prozent) unterschieden (Abb. 2a bis d). Somit liegt in weniger als 50 Prozent der Fälle eine klassische, singuläre Konstriktion vor. Oftmals handelt es sich um einen längeren, annähernd parallelwandigen Bereich5,6. Die Form und die Größe des Foramens selbst unterliegen anatomischen Varianzen7. Es kann rund, oval oder irregulär geformt sein und im Durchmesser variieren. Auch die Lage des Foramen major unterliegt starken morphologischen Abweichungen und ist nur in etwa 40 Prozent der Fälle am anatomischen Apex lokalisiert4,5,7. In den anderen Fällen befindet sich dieses lateral (Abb. 3a und b).

Auch das Auftreten multipler apikaler Foramina ist keine Seltenheit9. Vor allem auf den letzten drei Millimetern des Wurzelkanals befinden sich 98 Prozent der apikalen Ramifikation und 93 Prozent der akzessorischen Kanäle10, welche als das apikale Delta bezeichnet werden4 und auf der Wurzeloberfläche in multiplen apikalen Foramina enden können9 (Abb. 4).

Bestimmung der Arbeitslänge

Das langfristige Behandlungsergebnis einer endodontischen Intervention wird durch die korrekt ermittelte Arbeitslänge entscheidend beeinflusst11–15. Bei einer zu kurz gewählten Arbeitslänge verbleibt apikal ein möglicherweise infizierter, nicht instrumentierter Wurzelkanalabschnitt. Das Überpressen von infiziertem Material in das periapikale Gewebe und/oder die Verletzung apikaler Kanalstrukturen können hingegen die Folge einer zu lang gewählten Arbeitslänge sein. Die korrekte Arbeitslängenbestimmung stellt somit eine optimale Desinfektion und Ausformung des apikalen Wurzelkanalanteils sicher und steigert die Erfolgsprognose12–15.

Auch wenn über den idealen Endpunkt einer Wurzelkanalbehandlung kontrovers diskutiert wird2,16–20, gilt zumeist die apikale Konstriktion als anatomisch festgelegter Endpunkt der Wurzelkanalpräparation2,13,14,21–24. Die Befürworter dieses Konzeptes argumentieren, dass durch den Erhalt der engsten Stelle des Wurzelkanals die Irritation beziehungsweise Verletzung der periapikalen Gewebe sowie die Gefahr des Überpressens von Wurzelkanalfüllmaterial minimiert werden14,19,25,26. Auf der anderen Seite kritisieren die Konzeptgegner, dass die Strecke zwischen der apikalen Konstriktion und dem Foramen major immer uninstrumentiert und somit potenziell infiziert zurückbleibt20,27.

In der Praxis lässt sich mithilfe der Endome­trie mit sehr hoher Präzision der Punkt ermitteln, an dem das Messinstrument gerade mit dem parodontalen Gewebe in Berührung kommt, also den Wurzelkanal gerade verlässt28,29. Anatomische Studien zeigen, dass das Foramen minor und das Foramen major gewöhnlich 0,5 bis 1,0 mm voneinander entfernt liegen4,5. Daher werden von der endometrisch ermittelten Distanz zwischen einem koronal festgelegten Referenzpunkt und dem apikalen Endpunkt des Wurzelkanals für die Bestimmung der endgültigen Arbeitslänge etwa 0,5 mm abgezogen, sodass durch die Präparation des Wurzelkanals dieser zumindest in der Länge gänzlich erfasst wird, sich der apikale Endpunkt jedoch gerade noch innerhalb der Zahnwurzel befindet. Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass während der Arbeitslängenbestimmung anwendungsbedingte Fehlmessungen auftreten können, die 0,4 mm bis 1,0 mm betragen können30. Kritisch ist zudem anzumerken, dass die Subtraktion eines Mittelwertes (0,5 bis 1 mm) von einem real nicht existierenden anatomischen Bezugspunkt (röntgenologisch erkennbare Wurzelspitze) ebenfalls mit Ungenauigkeiten behaftet ist.

Dimension/Größe der apikalen Präparation

Die Entfernung von infiziertem Debris, Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukten31,32 ist ein elementares Behandlungsziel einer Wurzelkanalbehandlung und wird vor allem durch die chemomechanische Desinfektion realisiert. Persistierende Mikroorganismen gelten als wichtigste Risikofaktoren im Hinblick auf die Entstehung beziehungsweise Unterhaltung einer apikalen Parodontitis33,34 und können somit den langfristigen Therapieerfolg gefährden35,36. Um eine optimale Desinfektion gewährleisten zu können, sollte das Wurzelkanallumen in allen Dimensionen vollständig erfasst werden.
Somit rückt neben der Frage nach der endodontischen Arbeitslänge auch die Größe der finalen apikalen Präparation in den Fokus des wissenschaftlichen und klinischen Interesses37–42.

Allgemein wird empfohlen, den Wurzelkanal bis zu derjenigen Größe zu präparieren, die eine adäquate chemomechanische Desinfektion, den kontrollierten Einsatz von endodontischen Instrumenten sowie eine kontrollierte Obturation zulässt, ohne dabei die Zahnwurzel zu sehr zu schwächen43. Im Hinblick auf die optimale apikale Präparationsgröße konnte bis heute kein Konsensus gefunden werden (Tab. 1). Verschiedene Autoren vertreten unterschiedliche Therapieempfehlungen41,44–49. Allein die Tatsache, dass der apikale Präparationsdurchmesser von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird und von Zahn zu Zahn unterschiedlich sein kann, ist allgemein anerkannt50,51.

 

Tab. 1 Literaturempfehlungen zur anzustrebenden Präparationsgröße.
Tab. 1 Literaturempfehlungen zur anzustrebenden Präparationsgröße.

Anatomische Aspekte

Natürlicher Durchmesser der apikalen Konstriktion

Schon 1977 beschäftigten sich Kerekes und Tronstad mit der Wurzelkanalmorphologie. In den meisten Fällen (51 bis 78 Prozent) stellt sich die apikale Konstriktion nicht gleichmäßig rund, sondern oval oder irregulär geformt dar52–55. Die zugrunde liegenden Daten veranschaulichen im Hinblick auf den kleinsten Wurzelkanaldurchmesser unbehandelter Wurzelkanäle, dass eine adäquate apikale Präparation häufig größere Durchmesser als 0,25 mm erfordert, im Einzelfall sogar sehr viel größere Durchmesser. Dieselbe Schlussfolgerung wird auch von Wu et al.54 gezogen, die an 1.181 horizontalen Querschnitten den Wurzelkanaldurchmesser auf den apikalen 5 mm natürlicher Zähne untersuchten. Briseno-Marroqín et al.55 studierten die Form und Größe des apikalen Foramens unbehandelter Wurzelkanäle von Molaren und wiesen das regelmäßige Vorkommen (70 Prozent) ovaler Wurzelkanaldurchmesser mit einem Kurzachsendurchmesser von mindestens 0,2 mm und einem Langachsendurchmesser von mindestens 0,25 mm nach. Insgesamt unterliegt der Durchmesser der apikalen Konstriktion jedoch einer erheblichen Varianz54,56–58.

Der ursprüngliche apikale Durchmesser des Foramens bildet die Grundlage unterschiedlicher Therapieempfehlungen im Hinblick auf den optimalen apikalen Präparationsdurchmesser und kann im Anschluss an die koronale Erweiterung des Wurzelkanals beispielsweise mithilfe endodontischer Instrumente annähernd bestimmt werden („apical gauging“)3. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass eine runde Feile immer nur den kleinsten Durchmesser eines möglicherweise ovalen Wurzelkanals erfassen kann. Des Weiteren kann der Wurzelkanalanteil, der die Klemmpassung des endodontischen Instruments hervorruft, nicht mit Sicherheit bestimmt werden, sodass ein auf Arbeitslänge klemmendes Instrument nicht zwangsläufig den apikalen Durchmesser des unpräparierten Wurzelkanals auf Höhe der Arbeitslänge widerspiegelt59,60.

Im Wesentlichen werden zwei Therapiekonzepte unterschieden:

Das Ziel des ersten Behandlungskonzeptes besteht darin, die Wurzelkanalwände zirkumferent zu erfassen. Um diese Vorgabe zu erreichen, wird für die finale apikale Präparation ein Durchmesser empfohlen, der drei Größen größer als das erste auf Arbeitslänge klemmende Instrument ist61. Weiger et al.62 zeigten hingegen, dass ein finaler apikaler Durchmesser, der den ursprünglichen Kanaldurchmesser um 0,3 beziehungsweise 0,4 mm erweitert, nur in 72 beziehungsweise 78 Prozent der Wurzelkanäle zum gewünschten Präparationsergebnis, einer zirkumferenten Präparation aller Wurzelkanalwände, führt. Erst die Erweiterung des ursprünglichen Kanaldurchmessers um 0,6 mm kann in 95 Prozent der Fälle zu einem zirkumferenten Abtrag des Wurzelkanalwanddentins beitragen, bei einem gleichzeitig erhöht auftretenden Perforationsrisiko.

Dem gegenüber steht das zweite Behandlungskonzept, das ein minimalinvasives Vorgehen propagiert und empfiehlt, den apikalen Präparationsdurchmesser so klein wie praktikabel zu halten20. Das zentrale Ziel dieses Behandlungskonzeptes ist der bestmögliche Erhalt der Zahnstruktur, sodass Frakturen63–65 sowie die Extrusion von Debris und Füllungsmaterial vermieden werden können66.

Gekrümmter Wurzelkanalverlauf

Die ideale mechanische Wurzelkanalpräparation sollte die ursprüngliche Kanalgeometrie nicht verändern20, das heißt, der Materialabtrag sollte zirkulär gleichmäßig erfolgen. Vor allem an Zahnwurzeln mit gekrümmtem Wurzelkanalverlauf stellt dies den Zahnarzt vor eine anspruchsvolle Aufgabe, da die zur Präparation eingesetzten Wurzelkanalinstrumente das Bestreben haben, sich gerade aufzurichten67. In Folge dessen kann es vor allem in gekrümmten Wurzelkanälen zu einem asymmetrischen Abtrag des Wurzelkanalwanddentins kommen und das Auftreten von Präparationsfehlern begünstigt werden67–69.

Der Substanzabtrag im Bereich der apikalen Wurzelkanalabschnitte findet vermehrt an der Außenkurvatur und in den koronal gelegenen Wurzelkanalabschnitten an der Innenkurvatur statt, sodass es zu einer Verlagerung des ursprünglichen Wurzelkanalverlaufs kommt („Transportation“)50,67,70,71. Weitere, bereits 1972 von Weine et al. beschriebene Folgen sind ein weniger instrumentierter Übergangsbereich („elbow“), eine tränenförmige Erweiterung mit seitlich abgeflachter Form im apikalen Bereich („teardrop“) sowie eine an der Basis stark gezackte trichterförmige Aussackung im Bereich des apikalen Stopps („zip“)67. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens dieser Präparationsfehler wird signifikant durch den Einsatz von Stahlfeilen gesteigert72–74.

Um solche Probleme zu vermeiden, beziehungsweise so gering wie möglich zu halten, wurden für die Präparation gekrümmter Wurzelkanäle eine kleinstmögliche apikale Präparationsgröße und die „Step-Back-Technik“ propagiert. Zum Schutz der Wurzelkanalanatomie wurde der Aspekt einer verbesserten Eliminierung der Bakterienanzahl durch eine größere apikale Präparationsgröße hintenangestellt.

Durch die Präparation mit NiTi-Instrumenten ist die Präparation größerer apikaler Kanaldurchmesser in gekrümmten Wurzelkanälen mit vernachlässigbar geringfügiger Transportation des Wurzelkanalverlaufs und damit einhergehend eine effizientere Desinfektion des Wurzelkanals möglich75,76.

Bakteriologische Aspekte

Eindringtiefe der Spülkanüle und apikale Präparationsgröße

Der alleinige mechanische Abtrag von infiziertem Wurzelkanalwanddentin genügt nicht, um das Wurzelkanalsystem ausreichend zu desinfizieren. Micro-CT-Studien belegen, dass 10 bis 50 Prozent der Wurzelkanaloberflächen mechanisch nicht erfasst werden35,77–79. Weitere Studien zeigen die Persistenz von Bakterien und pulpalen Geweberesten auf den Wurzelkanalwänden im Anschluss an die mechanische Wurzelkanalpräparation80–84.

Die Anzahl der Mikroorganismen kann signifikant durch den Einsatz desinfizierender Spüllösungen reduziert werden39. Zu einem adäquaten Austausch der Spüllösung kommt es jedoch nur, wenn die Spülflüssigkeit Geschwindigkeiten von über 0,1 m/s erreicht85. Boutsioukis et al.85 zeigten mithilfe der numerischen Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics, CFD), dass diese Spülgeschwindigkeiten nur in unmittelbarer Umgebung des Austrittsfensters der Spülkanüle erreicht werden können. Allgemein gilt, dass eine effektive Spülwirkung nur 1 bis 3 mm vom Austrittsfenster der Kanüle entfernt generiert werden kann86. Das Design der Spülkanüle bestimmt die Distanz zur Arbeitslänge. Spülkanülen mit seitlichem Austrittsfenster sollten für einen adäquaten Austausch der Spülflüssigkeit bis auf Arbeitslänge minus 1 mm in den Wurzelkanal inseriert werden, wohingegen Spülkanülen mit einem nach apikal gerichteten Austrittsfenster auch noch 2 mm von der Arbeitslänge entfernt die gewünschte Effektivität aufweisen87. Somit bleibt der Effekt der Spülflüssigkeit auf einen kleinen Bereich um die Spülkanülenspitze limitiert. Als logische Konsequenz kann nur dann die effektive chemische Eliminierung von Bakterien und deren Stoffwechselprodukten sowie deren Abtransport sichergestellt werden, wenn die mechanische Erweiterung des Hohlraumsystems das Vordringen der Spülkanüle in die apikalen Wurzelkanalabschnitte gewährleistet. Eine erhöhte Effektivität der Spülung scheint erst ab einer apikalen Präparationsgröße von ISO 25 erreicht zu werden88. Ein effektiver Austausch der Spüllösung bis auf die Arbeitslänge ist hingegen erst ab einer apikalen Präparationsgröße von mindestens ISO 35 zu beobachten89. Wird die apikale Präparation um eine weitere ISO-Größe (ISO 40) gesteigert, so nimmt das Spülvolumen um etwa 44 Prozent zu. Eine Vergrößerung des apikalen Präparationsdurchmessers auf ISO 45 steigert das Spülvolumen nur geringfügig (4 %)90. Die Literatur belegt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der apikalen Präparationsgröße und der Reduktion der Bakterienanzahl38,41,46,51,81,91,92. Dies spiegelt sich auch im langfristigen endodontischen Behandlungserfolg wider. Aminoshariae und Kulild zeigten in einer systematischen Übersichtsarbeit für Zähne mit nekrotischer Pulpa und/oder apikaler Läsion, dass die Vergrößerung des apikalen Präparationsdurchmessers einen positiven Einfluss auf die Langzeitprognose ausübt93 (Abb. 5a und b).

Aktivierung der Spülflüssigkeit

Besonders die Desinfektion schwer zugänglicher Wurzelkanalanteile scheint mithilfe der konventionellen Spülung deutlich erschwert bis unmöglich94–96. Studien belegen, dass im Anschluss an die chemomechanische Desinfektion in über 40 % der behandelten Wurzelkanäle ein positiver Bakteriennachweis möglich bleibt97–99. Um die Effektivität der chemischen Desinfektion zu steigern, wurden diverse Methoden und Systeme zur Aktivierung der Spülflüssigkeit entwickelt.

Die 1980 erstmals von Weller et al. beschriebene passive ultraschallaktivierte Spülung (PUI) des Wurzelkanalsystems gilt als Goldstandard100–102. Die eingesetzten Ultraschallgeräte arbeiten in einem Frequenzbereich zwischen 25 und 30 kHz103, zur Desinfektion werden deutlich niedrigere Frequenzen (⅓ bis ¼) empfohlen. Die Ultraschallschwingungen werden über nicht-schneidende metallische Instrumente auf die Spülflüssigkeit übertragen und erzeugen zwei physikalische Effekte, die als „acoustic (micro) streaming“ und „Kavitation“ bezeichnet werden104. Bei Wandkontakt erfolgen aber dennoch ein Dentinabtrag und unter Umständen die Ausbildung von Stufen in der Kanalwand.

Im Gegensatz zur ultraschallaktivierten Spülung arbeitet Schall in einem niedrigeren Frequenzbereich (1 bis 6 kHz) und mit einem veränderten Bewegungsmuster, welches durch eine große Bewegungsamplitude mit nur einem Schwingungsknoten gekennzeichnet ist103,105,106. Die Übertragung der Schallenergie auf die Spülflüssigkeit erfolgt über nicht-schneidende Plastikspitzen. Ob der physikalische Effekt des „acoustic (micro) streaming“ auch hier entsteht, ist umstritten.

Die Folge der entstehenden physikalischen Effekte ist eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit107, wodurch sowohl die Penetration der Spülflüssigkeit in schwer zugängliche Wurzelkanalanteile als auch die Desintegration des bakteriellen Biofilms verbessert werden108. Des Weiteren ist im Vergleich zur konventionellen Spülung durch den Einsatz von Schall beziehungsweise Ultraschall beispielsweise eine Reduzierung des apikalen Durchmessers von ISO 35 auf ISO 30 möglich, ohne dabei den Austausch der Spülflüssigkeit negativ zu beeinflussen89,109.

Konizität des apikalen Wurzelkanaldrittels

Die Präparation des Wurzelkanals sollte kontinuierlich konisch erfolgen, wobei der kleinste Präparationsquerschnitt am apikalen Ende lokalisiert ist20 (Abb. 6a bis f).

Durch einen konischen Präparationsverlauf werden sowohl das Volumen der Spüllösung gesteigert als auch der Austausch der Spülflüssigkeit im apikalen Wurzelkanaldrittel verbessert110. Die endodontischen Instrumente können kontrollierter eingesetzt werden20, sodass die Auftretenswahrscheinlichkeit von Präparationsfehlern vermindert werden kann111. Gleichzeitig kann ein größerer Anteil des Wurzelkanalwanddentins mechanisch erfasst werden111. Durch den Einsatz von Wurzelkanalinstrumenten mit kontinuierlicher Konizität besteht jedoch das potenzielle Risiko, die Zahnstruktur vor allem im koronalen und mittleren Wurzelkanaldrittel massiv zu schwächen oder gar zu perforieren90. Plotino et al.112 beobachteten, dass die Desinfektion des koronalen und mittleren Wurzelkanaldrittels durch die Präparation einer größeren Konizität nicht positiv beeinflusst wird und schlussfolgern, dass vor allem in Zahnwurzeln mit gekrümmtem Wurzelkanalverlauf die Konizität der Präparation im koronalen und mittleren Drittel reduziert werden sollte, um die Zahnstruktur in diesem Bereich zu schonen.

Es wird kontrovers diskutiert, ob die Konizität die Desinfektion des apikalen Wurzelkanaldrittels positiv beeinflusst. Die Arbeitsgruppen von Zarei et al.110 und Arvaniti und Khabbaz113 beschreiben, dass eine Vergrößerung der Konizität bei einem apikalen Präparationsdurchmesser von ISO 30 die Desinfektion des apikalen Wurzelkanalanteils nicht verbessert. Auch Bronnec et al.114 zeigten, dass die alleinige Vergrößerung der apikalen Konizität bei gleichbleibendem Abstand der Spülkanüle zur Arbeitslänge und gleichbleibendem Spülvolumen keinen Einfluss auf die Penetrationsfähigkeit der Spülflüssigkeit ausübt. Sie geben jedoch zu bedenken, dass die Präparation eines konischen Präparationsprofils durchaus vorteilhaft sein kann, da so der notwendige Platz geschaffen wird, um das Vordringen der Spülkanüle bis kurz vor die Arbeitslänge zu ermöglichen.

Brunson et al.90 wiesen hingegen einen signifikanten Einfluss einer zunehmenden Konizität auf das Spülvolumen nach. Bei gleichbleibender apikaler Präparationsgröße (ISO 40) und ansteigender Konizität von 2 auf 4 Prozent wurde das Spülvolumen um etwa 74 Prozent gesteigert.

Größere Konizitäten führen zu einer effektiveren Ultraschallspülung, wohingegen enge Wurzelkanäle deren Effizienz mindern114,115. Albrecht et al.47 wiesen einen signifikanten Einfluss einer vergrößerten Konizität bei einem apikalen Durchmesser von ISO 20 nach, wohingegen dieser Effekt bei einem größeren apikalen Durchmesser von ISO 40 nicht mehr nachzuweisen war. Eine mögliche Schlussfolgerung könnte darin bestehen, dass der apikale Durchmesser einen größeren Einfluss auf die Desinfektionsleistung ausübt als die präparierte Konizität.

Die Präparation einer größeren Konizität im apikalen Wurzelkanaldrittel ergibt aufgrund einer besseren Kraftübertragung Vorteile bei der Wurzelkanalfüllung116. So wird die Kompaktion des Wurzelkanalfüllmaterials verbessert, während das Risiko des Überpressens verringert wird.

Fazit

Im Hinblick auf die Größe und die Konizität der apikalen Präparation konnte bislang auf wissenschaftlicher Ebene kein Konsensus gefunden werden, daher kann keine allgemeingültige Therapieempfehlung ausgesprochen werden. Im klinischen Alltag gilt es zu berücksichtigen, dass der Durchmesser der apikalen Präparation von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird und von Zahn zu Zahn unterschiedlich sein kann.

Das „apical gauging“ hilft dabei, eine Vorstellung von der apikalen Anatomie zu entwickeln und den Kurzachsendurchmesser des natürlichen Wurzelkanals und somit die ISO-Größe, die die apikale Präparation mindestens aufzuweisen hat, zu bestimmen.

Neben dem Aspekt einer ausreichend großen Präparation, um eine effektive chemomechanische Desinfektion sowie eine suffiziente Obturation des Wurzelkanalsystems zu gewährleisten, sollte berücksichtigt werden, dass der Einsatz von Instrumenten mit stärkeren ISO-Größen und damit einhergehend der Einsatz rigiderer Instrumente vor allem an Zähnen mit einem gekrümmten Wurzelkanalverlauf die Gefahr des Auftretens von Präparationsfehlern birgt. Auch steigert ein vermehrter Zahnhartsubstanzabtrag die Auftretenswahrscheinlichkeit von Zahnfrakturen.

Es erscheint logisch, in nicht infizierten Fällen (Vitalexstirpation) eine kleinere abschließende Präparationsgröße zu wählen als in Fällen einer Pulpanekrose, dies ist aber wissenschaftlich nicht geklärt.

Somit scheint die optimale apikale Präparationsgröße immer ein Balanceakt zu sein, der individuell von Fall zu Fall neu abgewogen werden muss.

Ein Beitrag von Dr. Sarah Siedek, Hamburg, Prof. Dr. Michael Hülsmann, Göttingen, und Prof. Dr. David Sonntag, Düsseldorf

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Endodontie 2/20 Endodontie

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