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Verschiedene Spurenelemente können Attachment- und Zahnverlust positiv beeinflussen – neue Ansätze für eine „zahngesunde Ernährung“?

(c) shutterstock.com/Sadovnikova Olga

Prof. Dr. Jörg Meyle D.D.S.

Parodontale Entzündungen führen zum Verbrauch von Mineralien und Spurenelementen. Spuren­elemente sind wesentlicher Bestandteil vieler Enzyme und antioxidativ wirkender Moleküle. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die ausreichende Zufuhr dieser Substanzen Attachment- und Zahnverlust hemmen kann. Neben Kupfer und Zink scheint Eisen eine besondere Rolle zu spielen, da verschiedene bakterielle Spezies wie Porphyromonas gingivalis, die in parodontalen Läsionen gefunden werden, Hämin und andere Eisenverbindungen verstoffwechseln können.

Trotz zahlreicher Studien und teilweise jahrzehntelanger Forschungsbemühungen gibt es bis heute keinen klar definierten Ernährungsplan, der die zahnärztliche Therapie begleiten sollte. Im Rahmen der personalisierten (individualisierten) Medizin und Zahnmedizin gewinnen diese adjuvanten Behandlungskonzepte an Bedeutung. Weitere kontrollierte Studien sind notwendig um die dafür erforderlichen Grundlagen zu erarbeiten.

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Einleitung

Die Parodontitis ist eine chronische Entzündungs­erkrankung, die durch einen oralen bakteriellen Biofilm ausgelöst wird und Destruktion der parodontalen Stützgewebe sowie Knochenabbau zur Folge hat1. In den meisten Fällen kann die Ent­zündung durch Beseitigung des Biofilms und Reinigung der bakteriell infizierten Wurzelober­flächen erfolgreich behandelt werden2. In Einzel­fällen rezidiviert die Entzündungsreaktion und der Attachmentverlust schreitet voran. Wie bereits M. Brecx 1988 in seinen Untersuchungen zur experimentellen Gingivitis zeigte, ist die individuelle Entzündungsreaktion auf die Reize, die von der bakteriellen Plaque am Zahnfleischrand ausgehen, sehr verschieden3. Es gibt Individuen, die nur sehr verzögert und mit einer gering ausgeprägten Entzündung reagieren, daneben aber auch Menschen, bei denen die Entzündungsreaktion überschießend und klinisch wesentlich stärker ausgeprägt ist. Ursache für diese individuelle Reaktionslage sind, neben angeborenen (genetischen) Faktoren systemische Parameter, zu denen das Rauchen, Stressbelastung, Diabetes und Ernährung ge­hören. Das aktuelle Pathogenesemodell der Parodontitis geht von einem Verlust des Gleich­gewichts zwischen bakteriellem Reiz und der Wirtsabwehr aus, das heißt, es entwickelt sich ein Ungleichgewicht in einer dysbiotischen Situation, die sich in der destruktiven Veränderung des Zahnbettes manifestiert4. Dabei können zusätz­liche Faktoren eine wesentliche Rolle spielen, zum Beispiel die Ernährung, von der man weiß, dass sie auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, kardiovaskulären Erkran­kungen und rheumatoider Arthritis von Bedeutung ist.

Tab. 1  Nährstoffkategorien [72,73].
Tab. 1  Nährstoffkategorien [72,73].

Grundsätzlich wird zwischen Makro- und Mikro­nährstoffen unterschieden, wobei die letzteren nur in minimalen Quantitäten im Körper vorhanden sein müssen (Tab. 1). Zu den Mikronährstoffen gehören Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe, Aminosäuren und mehrfach ungesättigte Fettsäuren5.

Nach der Weltgesundheitsorganisation handelt es sich bei Mikronährstoffen um „Wunderwaffen“, die in minimalen Mengen benötigt werden, um die Produktion von Enzymen, Hormonen und anderen Substanzen zu ermöglichen, die für ein angemessenes Wachstum und die Entwicklung des Körpers erforderlich sind6. Ein Mangel an Mikro­nährstoffen betrifft weltweit ca. zwei Mil­liarden Menschen7. Man spricht von einer stillen Epidemie, welche die Menschen aller Altersgruppen und Geschlechter global betrifft.

Bei den Mikronährstoffen bilden die Mineralstoffe eine besondere Gruppe, die mit 4 Prozent des Körpergewichts vor allem im Skelett, in Enzymen und in Hormonen vorkommen. Mineralstoffe werden in Mengenelemente (> 100 mg/Tag) oder Spurenelemente (< 100 mg/Tag) eingeteilt (s. Tab. 1)8. Mineralien halten die Flüssigkeitsbalance in unserem Körper aufrecht.

Die wichtigsten Mineralstoffe

Calcium

Calcium (Ca2+) wird im Körper vor allem als Hydroxyl­apatit in den Knochen und Zähnen gespeichert. Es besteht ein hoher Konzentrationsunterschied zwischen der intrazellulären und der extrazellulären Ca2+-Konzentration. Der intrazelluläre Spiegel liegt ca. 10.000-mal unter dem extrazellulären9. Der Ca2+-Einstrom in die Zelle ist mit einer Vielzahl von zellulären Aktivierungsreaktionen und metabolischen Veränderungen verbunden. Die Ca2+-Konzentration des Blutes ist hormonell durch Parathormon, Calcitonin und 1,25-Dihydroxy­cholecalciferol reguliert10.

Tab. 2 Tägliche Zufuhr von Mineralien und Spurenelementen bei Erwachsenen (Auszug aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2018) [74].
Tab. 2 Tägliche Zufuhr von Mineralien und Spurenelementen bei Erwachsenen (Auszug aus den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 2018) [74].

Die intestinale Ca-Absorption aus der Nahrung ist bei Rauchern beeinträchtigt11. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten Erwachsene täglich 1.000 mg zuführen (Tab. 2)12.

In einer siebenjährigen prospektiven Studie zeigte sich, dass der Knochenabbau bei älteren Männern, die < 1.000 mg Ca/Tag zuführten, 30 Prozent höher war als bei Männern mit hoher Ca-Zufuhr13. In einer dänischen Studie wurde nachgewiesen, dass die Ca-Zufuhr durch den Verzehr von Molkereiprodukten bei Männern und Frauen vor Zahnverlust schützen konnte14.

Trotz jahrzehntelanger Forschung sind die Zusammenhänge zwischen insuffizienter Ca-Zufuhr und der Progression der Parodontitis nicht ganz eindeutig. Nishida et al. schlussfolgerten im Jahr 2000, dass sich eine zu niedrige Ca-Zufuhr in einer schwereren Form der Parodontitis äußern könnte. Dies könnte mit einem Ungleichgewicht der Calcium-Phosphat-Konzentration im Blut im Zusammenhang stehen, wodurch über die Parat­hormon-Ausschüttung die Mobilisation von Calcium aus dem Skelettsystem und dem Alveolarknochen ausgelöst werden könnte. Die würde zur Knochenresorption und zu einem erhöhten Risiko für Parodontitis führen15. Laut Al-Zahrani besteht eine inverse Korrelation zwischen der Ca-Zufuhr durch Molkereiprodukte und der Prävalenz der Parodontitis16. Nach den dänischen Untersuchungen schützt die erhöhte tägliche Zufuhr von Calcium aus Molkereiprodukten vor Parodontitis17.

Kalium

Kalium ist ein wichtiger Faktor für viele normale zelluläre Funktionen. In einer Studie wurde ein Zusammenhang zwischen Kaliumausscheidung und der Schwere der Parodontitis nachgewiesen18.

Eisen

Unter den Spurenelementen spielt Eisen eine besondere Rolle, da optimale Eisenspiegel für die parodontale Gesundheit von Bedeutung sind und Abweichungen nach oben oder unten unerwünschte Nebeneffekte haben können. Entzündungen wie Parodontitis gehen mit erhöhten Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine einher, welche die Erythropoese im Knochenmark unterdrücken (Abb. 1)19–24. Infolge dessen ist die Anzahl der zirkulierenden Erythrozyten reduziert, dies führt zu einer relativen Anämie durch chronische Erkrankung. Entzündungsbedingte Mangelzustände sollten von ernährungsbedingtem Mangel unterschieden werden, da bei chronischen Entzündungen durchaus normale Ferritinspiegel vorliegen können. Bei der Parodontitis wurden erhöhte Ferritinspiegel gemessen, die sich als mittelbare Folge der reduzierten Erythropoese erklären lassen25. Transferrin wird auch als negatives Akute-Phase-Protein bezeichnet26,27. Anämien können durch Vitamin-Mangelzustände (Folat, Vitamin B12 und Vitamin A) ausgelöst werden28. Gestörte Eisen­spiegel wirken sich auf den Knochenstoffwechsel aus und beeinflussen auch Parodontal­pathogene, wie Porphyromonas gingivalis und Prevotella intermedia sowie Treponema denticola, die auf die Eisenvorräte des Wirts angewiesen sind. P. gingivalis setzt Gingipaine frei, um sich die im Taschenexsudat vorhandenen Hämin­mengen zugänglich zu machen. Gingipaine sind Zysteinproteinasen, die an Erythrozyten binden, diese lysieren und dadurch Hämoglobin freisetzen29. Dies erhöht die Verfügbarkeit von Hämin. P. gingivalis nutzt anorganisches Eisen, Transferrin und Laktoferrin als Wachstumsfaktoren. Es wurde nachgewiesen, dass P. gingivalis, Tannerella forsy­thia, Treponema denticola, Prevotella inter­media unter anderem häufiger an erkrankten Stellen vorkommen und das Ausmaß der parodontalen Destruktion direkt mit ihrer hämolytischen Aktivität korreliert30. In der Gegenreaktion auf diese Pathogene hat der Körper verschiedene Prozesse entwickelt, um die Degradation gebundenen Eisens zu verhindern, unter anderem nehmen eine Reihe verschiedener Moleküle (Hepcidin, Siderocalin etc.) entweder freies Eisen auf oder binden es an Transferrin, reduzieren den intrazellulären Eisenspiegel oder blockieren die Freisetzung zellulären Eisens in das Plasma31. Es wurde gezeigt, dass die mikrobielle Belastung durch antiinfektiöse Therapie abnahm und sich dadurch der anämische Status und die Ferritinspiegel bei Patienten mit chronischer Parodontitis verbesserten32.

Auch eine Eisenüberladung hat einen negativen Einfluss auf die Wirtsabwehr, führt zur reduzierten IgE-Produktion und zu veränderten CD4/CD8-T- Zellrelationen33.

Abb. 1 Stoffwechselwege von Kupfer und Eisen und ihre Veränderungen bei Parodontitis: Diese äußert sich klinisch u. a. in einer erhöhten Sondierungsblutung (BOP). Durch die Akkumulation und Aktivitäten von Granulozyten und Makrophagen kommt es am Entzündungsort zur erhöhten Belastung mit reaktiven Sauerstoffverbindungen (O2-, OCl-, H2O2), dadurch werden antioxidativ wirkende Substanzen wie Vitamin C und E sowie die in den Zellen vorhandene Superoxiddismutase verbraucht [68]. Dasselbe gilt für Glutathionperoxidase, deren Konzentration im Taschenexsudat bei Parodontitis erhöht ist [69,70]. Beim massiven Zerfall der Neutrophilen am Entzündungsort bildet sich Pus und damit wird vermehrt Myeloperoxidase frei, ein Enzym, das in den primären Granula vorkommt [71]. Cu2+ ist zentraler Bestandteil des Moleküls (die bläulich-grünliche Farbe des Eiters deutet darauf hin) und wird dadurch verbraucht. Die lokale Freisetzung von koloniestimulierenden Faktoren (GM-CSF) und anderen Zytokinen hat systemische Auswirkungen. So wird die Granulopoese im Knochenmark stimuliert. Dies führt ebenfalls zu einem gesteigerten Cu2+-Verbrauch [36]. Proinflammatorische Zytokine (Il-1, Il-6, TNF-alpha) stimulieren in den Hepatozyten die Produktion der Akute-Phase-Proteine zu denen neben C-reaktivem Protein (CRP) auch Coeruloplasmin (das Serum-Kupfertransport-Protein) gehört. Gleichzeitig wird durch diese Zytokine die Erythropoese gehemmt und der Transferrin-Spiegel im Serum nimmt ab. Transferrin wird deshalb auch als negatives Akute-Phase-Protein bezeichnet. So wurde bei Patienten mit Parodontitis über eine entzündungsbedingte Anämie berichtet [5,28.]
Abb. 1 Stoffwechselwege von Kupfer und Eisen und ihre Veränderungen bei Parodontitis: Diese äußert sich klinisch u. a. in einer erhöhten Sondierungsblutung (BOP). Durch die Akkumulation und Aktivitäten von Granulozyten und Makrophagen kommt es am Entzündungsort zur erhöhten Belastung mit reaktiven Sauerstoffverbindungen (O2-, OCl-, H2O2), dadurch werden antioxidativ wirkende Substanzen wie Vitamin C und E sowie die in den Zellen vorhandene Superoxiddismutase verbraucht [68]. Dasselbe gilt für Glutathionperoxidase, deren Konzentration im Taschenexsudat bei Parodontitis erhöht ist [69,70]. Beim massiven Zerfall der Neutrophilen am Entzündungsort bildet sich Pus und damit wird vermehrt Myeloperoxidase frei, ein Enzym, das in den primären Granula vorkommt [71]. Cu2+ ist zentraler Bestandteil des Moleküls (die bläulich-grünliche Farbe des Eiters deutet darauf hin) und wird dadurch verbraucht. Die lokale Freisetzung von koloniestimulierenden Faktoren (GM-CSF) und anderen Zytokinen hat systemische Auswirkungen. So wird die Granulopoese im Knochenmark stimuliert. Dies führt ebenfalls zu einem gesteigerten Cu2+-Verbrauch [36]. Proinflammatorische Zytokine (Il-1, Il-6, TNF-alpha) stimulieren in den Hepatozyten die Produktion der Akute-Phase-Proteine zu denen neben C-reaktivem Protein (CRP) auch Coeruloplasmin (das Serum-Kupfertransport-Protein) gehört. Gleichzeitig wird durch diese Zytokine die Erythropoese gehemmt und der Transferrin-Spiegel im Serum nimmt ab. Transferrin wird deshalb auch als negatives Akute-Phase-Protein bezeichnet. So wurde bei Patienten mit Parodontitis über eine entzündungsbedingte Anämie berichtet [5,28.]

Sowohl chronische Parodontitis als auch eine Eisenmangelanämie induzieren oxidativen Stress und verursachen ein Ungleichgewicht zwischen reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS) und Anti­oxidantien wie Superoxiddismutase (Abb. 1). Im Vergleich zu Gesunden wurden bei Patienten mit chronischer Parodontitis reduzierte Superoxiddismutase-Serumspiegel gemessen20.

Die Freisetzung reaktiver Sauerstoffverbin­dungen durch Makrophagen und Neutrophile kann zum oxidativen Stress und zur parodontalen Destruktion führen, wobei freies Eisen durch die Fenton-Reaktion die Bildung von reaktiven Sauerstoffverbindungen aus Wasserstoffperoxid fördert. Daraus resultiert die Aktivierung von Matrix­metalloprotein­asen, die extrazelluläre Matrix­be­standteile zersetzen. Andererseits wird Eisen für die Aktivierung verschiedener Enzyme benötigt, die bei der bakteriellen Phagozytose eine entscheidende Rolle spielen. So kann beispielsweise ein Eisenmangel die Aktivität der Myeloperoxida­se beinträchtigen, die für die bakterizide Aktivität der Makrophagen und Granulozyten von entscheidender Bedeutung ist20.

Kupfer

Kupfer ist essenziell für die Immunabwehr und die Bekämpfung des oxidativen Stresses, der durch reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen hervorgerufen wird. Die tägliche empfohlene Aufnah­memenge von Kupfer beträgt 1–1,5 mg (Tab. 2)34. Es wird zusammen mit Eisen für die Bildung von Hämoglobin benötigt und wird in Coeru­loplasmin, einer kupferabhängigen Ferroxidase, gespeichert. Coeruloplasmin unterstützt die Oxidation von Eisen, so dass Ferritin genutzt werden kann35. Daher kann ein Kupfermangel zur Anämie führen35. Kupfermangel hat einen nega­tiven Einfluss auf Granulozyten, Makrophagen, T-Zellen und NK-Zellen36. Coeruloplasmin gehört zu den Akute-Phase-Proteinen. Seine Konzentration ist bei schwerer generalisierter Parodontitis erhöht. Dies wurde bereits in einer Vergleichsstudie im Jahr 1987 berichtet37.

Magnesium

Dieses Spurenelement wird als Co-Faktor oder Enzym­aktivator unter anderem bei allen Energie-abhängigen (ATP-abhängigen) Stoffwechselprozessen benötigt. Es wirkt als ein physiologischer  Ca2+-Antagonist und kontrolliert den Ca2+-Influx über die Zellmembran und ist an der metabolischen Aktivierung von Vitamin D und Vitamin B1 sowie der Synthese von Hormonen, Proteinen, Glutathion, Nukleinsäuren, der Knochenmineralisation, der neuromuskulären Reizleitung und Muskelkontraktion beteiligt5,28. Der menschliche Körper enthält ca. 25 g Magnesium, wovon 60 – 65 Prozent im Knochen und ca. 27 Prozent in der Muskulatur vorkommen38.

Verschiedene Studien zeigten Zusammenhänge zwischen niedrigem Magnesiumstatus und verschie­denen Erkrankungen beziehungsweise krankhaften Zuständen wie Diabetes mellitus, metabolischem Syndrom, kardiovaskulären Erkrankungen, Bluthochdruck und Verdauungsproblemen in der Schwangerschaft39–44.

Bei Rauchern war ein niedriger Serum-Calcium/Magnesium-Quotient mit der Progression der Par­odontitis korreliert, wobei die Calciumspiegel im Vergleich zu Nichtrauchern signifikant erniedrigt waren45.

Selen

Selen ist ein mineralisches Antioxidans, das für die normale Funktion verschiedener Organ­systeme von essenzieller Bedeutung ist. Es besitzt starke anti­inflammatorische und antivirale Eigenschaften46.

Selen kommt in Weizen, Milchprodukten, Eiern und Fleisch vor und wird mit der Nahrung auf­genommen, wobei die Selenkonzentration vom Selengehalt des Ackerbodens abhängig ist47. Durch Regionen mit geringem Selengehalt, zu denen Europa, Neuseeland und Teile von China gehören, und Gebieten mit hohem Selengehalt, wie die USA und Kanada, ergeben sich große Unter­schiede in der täglichen Zufuhr48.

Die biologischen Funktionen werden hauptsächlich über Selenoproteine ausgeübt, die für die Aktivierung, Proliferation und Differenzierung der Zellen des angeborenen und adaptiven Immunsystems verantwortlich sind. Selenoproteine sind unter anderem Glu­tathionperoxidasen (GPX), Thioredoxin-Reduk­tasen, Deiodinasen und Selenoproteine P, K und S.

Die tägliche empfohlene Menge von Selen beträgt 40 µg für Erwachsene. Extreme Konzentratio­nen, d.as heißt der Mangel (Keshan-Erkrankung) oder die Überdosis (Selenosis) sind der Allgemein­gesund­heit abträglich. Im Parodont bestehen die heilungsfördernden Effekte von Selen hauptsächlich in seinen antioxidativen Eigenschaften5,28. Bei Patienten mit Diabetes und Parodontitis wurden im Vergleich zu Gesunden signifikant erniedrigte Spiegel von Glutathion, Katalase und Selen gemessen49.

Zink

Außer Eisen ist Zink ein integraler Bestandteil einer großen Anzahl von Makromolekülen und ein Co-Faktor von mehr als 300 Enzymen, zu denen auch alkalische Phosphatase, Alkoholdehydrogenase, Superoxiddismutase und Carboanhydrase gehören28,50. Zink ist für die Balance unter den Mikronährstoffen von essenzieller Bedeutung51. Zum Beispiel unterdrückt ein hoher Kupferspiegel die Zinkaufnahme52–54. Zink wird auch für die Aufnahme von Folat und den Vitaminen A und E benötigt. Zink ist ein wesentliches Element für das Wachstum und die Entwicklung der parodontalen Gewebe55. Seine Bedeutung bei der Parodontitis wird hauptsächlich durch den Einfluss auf die orale Mukosa, den Knochenstoffwechsel und die Wirtsabwehr bestimmt. Zinkmangel führt zu einer Veränderung der Keratinisation und der Dicke der oralen Mukosa, die gegenüber Infektionen anfällig wird56. Zinkmangel führt zum Funktionsverlust von Monozyten, zu einer reduzierten Zytotoxizität der NK-Zellen und einer reduzierten Phago­zytose der Granulozyten51,57. Zink ist eine integrale Komponente antioxidativer Enzyme und seine Spiegel verändern sich bei oxidativem Stress. Im desmodontalen Gewebe verhindert es den durch die freien Radikale hervorgerufenen Schaden55.

Mangan

Mangan ist von großer Bedeutung für verschiede­ne Metalloproteine. In einer koreanischen Studie wurde über eine signifikant inverse Assoziation zwischen Plasma-Mangan-Spiegeln und dem parodontalen Status in einer repräsentativen Stichprobe berichtet58.

Derzeitiger Wissensstand

Bis heute gibt es zur Bedeutung der Spuren­ele­mente (Eisen Zink, Selen und Kupfer) keine klinisch kontrollierten, prospektiv angelegten Studien. In dem Review von Gaur und Agnihotri (2017) wurden aus 348 Publikationen insgesamt 14 Arbeiten herausgefiltert. Bei allen handelte es sich um Fallkontrollstudien5. Die Untersuchung von Gaur und Agnihotri ergab, dass eine optimale Konzentration dieser Spurenelemente für die parodontale Gesundheit von großer Be­deutung ist. Reduzierte Serumkonzentrationen korrelierten mit chronischer Parodontitis59,60. Andererseits hatten erhöhte Eisenspiegel ebenfalls einen negativen Einfluss auf die parodontale Gesundheit.

Klinisch kontrollierte prospektiv angelegte Studien sind dringend erforderlich, um Bedeutung und Rolle von Spurenelementen in der Ätiopathogenese der Parodontitis zu klären und ihren Einfluss auf das Therapieergebnis zu bestimmen, sodass definitive Empfehlungen für die diätetische Unterstützung der mechanischen Lokaltherapie gegeben werden können5.

Primärprävention und Ernährung

In den vergangenen Jahren haben sich die Ernährungsempfehlungen erheblich verändert. Während man noch im Jahr 2002 zuckerhaltige Produkte als herzgesunde Zwischenmahlzeiten empfahl, da sie frei von gesättigten Fettsäuren waren, sind diese Ernährungsempfehlungen heute obsolet61. Funktionelle Nährstoffe sind im Verhältnis zur Gesundheit und Erkrankung in jüngerer Zeit immer wichtiger geworden, da sie eine wichtige präventive Rolle in der Ätiopathogenenese der Parodontitis spielen können. Dazu gehören Polyphenole (Catechine, Flavonoide), wie sie im grünen Tee gefunden werden, der eine hohe Konzentration davon enthält. Diese stark antioxidativen Substanzen sind auch im Schwarztee und im halbfermentierten Oolong Tee vorhanden. In einer jüngeren Publikation wurde in vitro nachgewiesen, dass Polyphenole von grünem Tee die Barrierefunktion des oralen Epithels und den schädigenden Einfluss von P. gingivalis hemmen können62.

Milch und Milchprodukte haben einen Zusatzeffekt aufgrund ihres Calcium-, Phosphat- und Milchproteingehaltes. Die verschiedenen Wirkungen von funktionellen Nährstoffen schließen eine Anzahl von antibakteriellen Aktivitäten, die Reduktion der Säurehaltigkeit des dentalen Biofilms, die Wirkung auf adhäsive Eigenschaften und eine verstärkte Remineralisation mit ein. Auch Probiotika werden heute als eine Strategie gegen Karies und Parodontalerkrankungen erforscht. Produkte, die natürliche oder zugesetzte verschiedene gesundheitsfördernde Mikroorganismen enthalten, werden gegenwärtig untersucht und in klinisch kontrollierten Studien analysiert.

Der Erhalt der parodontalen Gesundheit hängt von der Verfügbarkeit und der Fähigkeit ab, eine Ernährung zu etablieren, die sich optimal in Bezug auf Makro- und Mikronährstoffe zusammensetzt und balanciert ist. Eine zunehmende wissenschaftliche Evidenz zeigt, dass auch geringgradige Mangel­erscheinungen an Mikronährstoffen die parodontale Gesundheit ungünstig beeinflussen können63.

Tab. 3 Vergleich zwischen einer 1985 erstellten Studie und den 1996 und 2002 in einem Lebensmittellabor ermittelten Werte in Obst und Gemüse (Pharmakonzern Geigy, 1985, Lebensmittellabor Karlsruhe, Sanatorium Oberthal 2002) [75].
Tab. 3 Vergleich zwischen einer 1985 erstellten Studie und den 1996 und 2002 in einem Lebensmittellabor ermittelten Werte in Obst und Gemüse (Pharmakonzern Geigy, 1985, Lebensmittellabor Karlsruhe, Sanatorium Oberthal 2002) [75].

Ernährungsempfehlungen für optimale parodontale Gesundheit

Bis heute gibt es keinen Ernährungsplan, der Patienten mit Parodontitis aufgrund einer soliden wissenschaftlichen Evidenz und entsprechenden klinisch kontrollierten Studien empfohlen werden könnte. In klinisch kontrollierten Therapiestudien wurde bei Patienten mit Parodontitis, die mit Nahrungsergänzungsstoffen behandelt wurden, eine Verbesserung der Behandlungsergebnisse nachgewiesen63,64. Die Prävention der Erkrankung durch eine ausgewogene Ernährung ist sicher von großer Bedeutung. Analysen des Mineral- und Vitamin­gehalts verschiedener Lebensmittel deuten darauf hin, dass dieser in den letzten Jahrzehnten erheblich abgenommen hat (Tab. 3). Ob dies bei Gesunden eine Supplementierung rechtfertigt, lässt sich gegenwärtig nicht abschließend beurteilen.

Nach Hujoel sollte zum Erhalt der parodontalen Gesundheit die Ernährung aus einer niedrigen Kohlenhydratzufuhr in Kombination mit nicht pflanzlichen Fetten, einer hohen Konzentration an Mikronährstoffen und ausreichender Proteinzufuhr bestehen61. Dies steht im Gegensatz zu anderen Ernährungsempfehlungen und sollte im Einzelfall mit dem Arzt besprochen werden61. Von Van Dyke et al. wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass die Kombination aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren) in Kombination mit niedriger Aspirinzufuhr (zur Ansteuerung der Lipoxin- und Resolvinsynthese) im Tierversuch die parodontale Destruktion trotz der Präsenz von oralen Pathogenen erfolgreich verhindern kann65–67.

Fazit

Die bisherigen Erkenntnisse zeigen bruchstückhaft die hohe Bedeutung der Ernährung und der verschiedenen Nahrungskomponenten für eine ausreichende Versorgung unseres Körpers, nicht nur mit Nährstoffen, sondern auch mit Schlüsselmolekülen, die für eine optimale Immunabwehr und Beseitigung der Pathogene von großer Bedeutung sind.

Weitere klinisch kontrollierte Studien zur Entschlüsselung der Zusammenhänge und zur Eta­blierung eines Ernährungsplans bei Parodontitis sind dringend erforderlich, um den Erfolg der Lokal­therapie zu fördern und langfristig den Behandlungserfolg zu stützen.

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Ein Beitrag von Prof. Dr. Jörg Meyle, Giessen

Quelle: Parodontologie 3/19 Parodontologie Zahnmedizin

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