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Der Bundesgesundheitsminister sollte der IDS einen Besuch abstatten – ein Kommentar von Dr. Marion Marschall

(c) Quintessenz

Dr. Marion Marschall

Seit Donnerstag vergangener Woche fragen sich nicht nur die sogenannten Leistungserbringer im Gesundheitswesen endgültig, in welcher Welt der amtierende Bundesgesundheitsminister eigentlich lebt. Seine groß angekündigte Digitalisierungsstrategie erblickte in einer sehr merkwürdigen Pressekonferenz das Licht der Welt, und konkrete Antworten auf konkrete Fragen schon zum ersten Projekt elektronische Patientenakte waren Fehlanzeige. Dafür dürfen diejenigen, die das Ganze in der Praxis anwenden und umsetzen sollen, künftig in der zur Digitalagentur umgewandelten Gematik nicht mehr mitreden.

Offensichtlich ist der Minister davon fest überzeugt, dass Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Co. gegen die Digitalisierung sind. Er verwendete sogar mehrfach das Wort „Defätismus“, der sich bei den Ärzten in Sachen Digitalisierung breit gemacht habe.

Zahnmedizin und Zahntechnik sind digital

Vielleicht sollte man Lauterbach mal einen Besuch auf der Internationalen Dental-Schau empfehlen, die ja direkter Nähe zu seinem Wahlkreis stattfindet. Dann könnte er erleben, wie digital Zahnmedizin und Zahntechnik heute schon sind, von den Praxisverwaltungssystemen über die Diagnostik bis zur Fertigung von Zahnersatz und Datenclouds. Diese vielen Tools und angebotenen Cloud-Systeme sicher und datenschutzkonform mit einer funktionierenden, sicheren Telematikinfrastruktur, auch für die ePA, nutzen zu können, wäre für Praxen und Labore eine gute Sache. Aber davon steht in der Digitalisierungsstrategie nichts Greifbares. Daher muss man befürchten, dass es bei Parallelwelten bleiben wird – mit all den Gefahren für Datensicherheit und Datenschutz, für die am Ende wieder die Zahnärzte und Ärzte einstehen müssen.

Gematik und Politik suchen sich das raus, was ihnen in Sachen Digitalisierung politisch in die Linie passt – inklusive der Wolkenkuckucksheime, die so manche Start-ups und Experten gerne verkaufen. Mit der Realität, den in Praxen und Kliniken eingesetzten IT-Anwendungen, Verwaltungs- und Dokumentationsprogrammen, softwaregesteuerten Systemen und Geräten, hat das oft wenig zu tun.

Kritischer Blick ist kein Defätismus

Es ist kein Defätismus, wenn gerade der ambulante Sektor, aber auch Kliniken und Softwareanbieter den aktuellen Stand und die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums für die TI und die Digitalisierung im Gesundheitswesen nach den Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre zumindest kritisch beäugen. Seit 20 Jahren – der Minister hat ja selbst darauf hingewiesen, dass er einer der Geburtshelfer der ePA-Idee unter Ulla Schmidt war – warten sie darauf, dass es hier endlich eine funktionierende, sichere und in der Praxis für Heilberufler und Patienten auch praktikable Lösung gibt. Die gibt es natürlich nicht, nur vollmundige Versprechen der Gematik. (Dass der Minister die störende Realität in Form der Akteure – Krankenkassen, Standesvertretungen etc. – nun nicht mehr mitreden lassen will, zeigt deutlich, wie weit er von dieser Realität entfernt ist und wie gerne er der ungeliebten Standespolitik hier ins Gesicht schlägt.)

Dass und wie es geht, zeigen unsere Nachbarländer Österreich und Dänemark. Und es ist absolut notwendig, dass die Datenbasis und Datennutzung für die Forschung verbreitert wird – auch das geht, wie das Beispiel anderer Länder zeigt, datenschutzrechtlich sicher. Es muss an dieser Stelle auch an den Vortrag von Prof. Alena Buyx auf dem Deutschen Zahnärztetag 2022 erinnert werden, die eine Überbetonung des individuellen Rechts auf Datenschutz zulasten der ethischen Allgemeinwohlverpflichtung kritisiert hat.

Die Vorteile der Vernetzung und Digitalisierung sicher nutzen

Falsch ist angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in Medizin und Zahnmedizin und der unbestreitbaren Vorteile für Diagnostik und Therapie ebenso wie für die Verwaltung und Dokumentation eine Ablehnung bis hin zur Totalverweigerung der TI-Anbindung. Diejenigen, die dies seit 20 Jahren gebetsmühlenartig propagieren, sollten ihr Narrativ vor dem Hintergrund des unbestrittenen Nutzens einer digitalen Vernetzung im Gesundheitswesen auf den Prüfstand stellen. Wer immer nur dagegen ist, kann nicht mitgestalten. Und das Mitgestaltenwollen wird umso wichtiger, wenn die Gematik ohne die Akteure stattfinden soll und über die Europäische Union mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum eine ganz neue Dimension der Datennutzung auf uns zukommt.

Schauen und prüfen, was Hersteller an Neuem bieten

Allen Zahnärztinnen und Zahnärzten, Zahntechnikerinnen und Zahntechnikern und ihren Mitarbeiterteams kann man nur empfehlen, sich die vielen neuen digitalen Produkte und Anwendungen anzuschauen, die in dieser Woche in Köln zu erleben sind. Vieles davon wird den Alltag erleichtern und neue Chancen für die zahnmedizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten eröffnen – mit neuen Tools für die Praxisverwaltungssysteme, neuen Funktionen in der Bildgebungssoftware, in CAD/CAM-Programmen und Fertigungstechnologien und vielem mehr. Neben den vielen praktischen Geräten, Instrumenten und Werkstoffen, die auf der IDS sowieso immer zu entdecken sind. Die Digitalisierung ist in den Zahnarztpraxen und Laboren längst angekommen und Alltag – und sie ist technologisch viel weiter als das, was die Politik mit ihrer TI bislang jemals per Zwang vorgeschrieben hat.

 

Reference: Politik Nachrichten IDS

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