0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1972 Views

Niederlassung oder Anstellung? – nicht nur bei der Work-Life-Balance scheiden sich die Geister

(c) Semanche/Shutterstock.com

Die Freiheit in der Berufsausübung ist das stärkste Argument für die Gründung einer eigenen Praxis oder Apotheke. Wo aber Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren sind, da gehen die Meinungen auseinander. Das ergab die Mitte Oktober 2022 veröffentlichte Studie „Niederlassen oder lieber lassen?“ der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (ApoBank).

Die Studie ist eine modifizierte Neuauflage der Befragung aus dem Jahr 2014. Insgesamt 800 Heilberuflerinnen und Heilberufler aus den Bereichen Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie – davon 400 Angestellte und 400 Selbstständige – beantworteten Fragen rund um die Entscheidung für oder gegen die Selbständigkeit beziehungsweise für oder gegen die Anstellung.

Pro Niederlassung: Gestaltungsfreiheit, Flexibilität und gutes Einkommen

Auf die Frage, welche Kriterien bei der Entscheidung für die Niederlassung wichtig waren, nannten 80 Prozent der befragten Selbständigen die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, 79 Prozent die Chancen zur Selbstverwirklichung und 78 Prozent die therapeutische Selbstbestimmung. Doch auch die Aussichten auf ein gutes Einkommen (74 Prozent) und flexible Arbeitszeitgestaltung (72 Prozent) haben den Entschluss beeinflusst. Ein enges Verhältnis zum Patienten beziehungsweise Kunden war für 68 Prozent ebenfalls ausschlaggebend.

Ein Blick in die Besonderheiten der einzelnen Heilberufsgruppen zeigt, dass gerade für Ärzte die Selbständigkeit eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bietet (74 Prozent). Für die Zahnärzte war nach den Umfrageergebnissen die Nutzung moderner Technologien (71 Prozent) ein besonderer Aspekt der Selbstständigkeit, während für die Apotheker das breite Aufgabenspektrum in der eigenen Offizin ein Anreiz war (71 Prozent).

Im Umkehrschluss sprechen gegen die Anstellung aus Sicht der Selbständigen vor allem vier Kriterien: Weisungsgebundenheit, geringere Vergütung, vorgeschriebene Arbeitszeiten und hierarchische Strukturen. Für die Ärzte ist es noch zusätzlich die Arbeit im Schichtdienst, die sie letztlich auch in der Entscheidung gegen die Tätigkeit im Krankenhaus bestärkt hat, heißt es in der Zusammenfassung der Ergebnisse durch die Bank.

Warum Niederlassung? Ergebnisse der Studie der ApoBank 2022.
Warum Niederlassung? Ergebnisse der Studie der ApoBank 2022.
Quelle: ApoBank

Zeitliche Organisation beim Gründungsprozess anspruchsvoll

Wenn die Entscheidung zur Niederlassung steht, beginnt der Gründungsprozess mit all seinen Herausforderungen: Für 47 Prozent der Befragten war vor allen Dingen die zeitliche Organisation umständlich. Gut ein Drittel empfand die Suche nach einer geeigneten Apotheke beziehungsweise Praxis als mühsam. Die Finanzierung der Gründung zählte ein Viertel der befragten Selbstständigen zu den herausfordernden Aufgaben.

Die Betrachtung einzelner Heilberufsgruppen zeigt, dass 53 Prozent der Fachärztinnen und -ärzte vor allem das Erlangen der Kassenzulassung Schwierigkeiten bereitet hat. Für gut ein Fünftel der selbständigen Mediziner war die Auswahl der adäquaten Berufsausübungsform nicht einfach, bei Apothekengründerinnen und -gründern war es eher die Suche nach passenden Kooperationspartnern.

Bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten spielen Kassenzulassung und Betriebserlaubnis kaum eine Rolle, da die Zulassungsbeschränkungen für sie schon seit längerem aufgehoben sind. Für sie waren die zeitliche Organisation, die Suche nach einer geeigneten Praxis und die Einigung mit dem Abgeber/Partnern besonders herausfordernd. Von allen befragten Gruppen war hier auch die Frage der Finanzierung stärker belastend – 28 Prozent gaben dies an.

Contra Niederlassung: zu viel Bürokratie, hohe finanzielle Belastung und Workload

In der neuen Studie hat die ApoBank auch angestellte Heilberufler gefragt, was sie von der Selbstständigkeit abhält. Die am häufigsten genannten Vorbehalte sind zu viel Bürokratie (62 Prozent), die hohe finanzielle Belastung (59 Prozent) sowie die hohe Arbeitsbelastung (57 Prozent).

Doch genauso häufig (57 Prozent) passt die Niederlassung einfach nicht zu der persönlichen Lebenssituation. Jeder Zweite gab außerdem an, dass der Aufwand für die eigene Praxis oder Apotheke einfach zu hoch sei. Bedenken hinsichtlich des Workloads äußern vor allem Apothekerinnen und Apotheker, während Ärztinnen und Zahnärzte vorwiegend die Bürokratie fürchten. Die Bürokratie schaffte es in der Umfrage 2022 an die Spitze: 62 Prozent gaben an, dass „viel Bürokratie“ zum Zeitpunkt der Entscheidung gegen die Selbstständigkeit gesprochen hat. 2014 stand das finanzielle Risiko auf Platz 1, die 2022 vor der Arbeitsbelastung auf Platz 2 gerutscht ist.

Um sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden, müsste es laut der befragten Angestellten eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (63 Prozent), eine geringere finanzielle Belastung (56 Prozent) sowie den Abbau von regulatorischen Anforderungen (48 Prozent) geben. Doch für ein Fünftel der Apothekenangestellten stellt Selbständigkeit auch unter veränderten Rahmenbedingungen keine Option dar. Für 35 Prozent der Fachärztinnen und -ärzte würde der Wegfall von Zulassungsbeschränkungen die Niederlassung möglich machen.

Work-Life-Balance – für alle ein besonderes Anliegen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ist grundsätzlich von hoher Relevanz für alle Befragten. Doch ob die gewünschte Work-Life-Balance besser in der Niederlassung oder in der Anstellung zu realisieren ist, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Denn für 83 Prozent ist es einerseits das häufigste Kriterium bei der Entscheidung für die Anstellung gewesen, andererseits ist das auch – vor allem für die selbstständige Ärzteschaft – eines der Hauptmotive für die Niederlassung.

Ärzte wollen raus aus der Klinik

„Dieses ambivalente Ergebnis kann durchaus auf die unterschiedlichen Erfahrungen, die Ärztinnen und Ärzte in ihrem Berufsalltag gemacht haben, zurückgeführt werden. Aus Gesprächen mit Praxis- und Apothekeninhabern wissen wir allerdings, dass sich gerade durch die Flexibilität als eigener Chef oder eigene Chefin sehr gute Möglichkeiten für eine ausgewogene Work-Life-Balance ergeben“, erläutert Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmarkt und Beteiligungen bei der ApoBank. „Dass auf der anderen Seite die Arbeit im Krankenhaus häufig mit starker Belastung und Unzufriedenheit einhergeht, hat die Ärzteschaft schon häufig zum Ausdruck gebracht, und ein weiteres Ergebnis der Studie untermauert diese Situation: So wollen nur 7 Prozent der befragten Angestellten langfristig in der Klinik arbeiten, die Gemeinschaftspraxis war mit Abstand der Favorit.“

MVZ gar nicht so beliebt bei Angestellten

Bei den Angestellten liegt zudem die Gemeinschaftspraxis/Berufsausübungsgemeinschaft als bevorzugter Arbeitsort mit 63 Prozent vorn. Das MVZ kommt nur auf 20 Prozent, die Einzelpraxis auf 10 Prozent. Bei den Zahnärzten scheint das MVZ als Ort einer langfristigen Beschäftigung eher unbeliebt zu sein, nur 10 Prozent der 100 befragten angestellten Zahnärztinnen/Zahnärzte erklärte, dass sie dort langfristig am liebsten beschäftigt wären. Bei den Allgemeinärzten waren es 22 Prozent, bei den Fachärzten 28 Prozent.

Angestellte möchten am liebsten in BAG/Gemeinschaftspraxen arbeiten.
Angestellte möchten am liebsten in BAG/Gemeinschaftspraxen arbeiten.
Quelle: ApoBank

Angestellte Zahnärzte schätzen den kollegialen Austausch

Neben der Work-Life-Balance ist die Scheu vor unternehmerischer Verantwortung vor allem bei Medizinern ein häufiger Grund für die Anstellung – 72 Prozent gaben diesen Grund an. Bei den Zahnärzten waren es 68 Prozent. Immerhin 44 Prozent der Zahnärztinnen und Zahnärzte möchten sich nicht langfristig an einen Standort binden. Feste Arbeitszeiten sind mit 81 Prozent den Apothekenangestellten besonders wichtig, mit 78 Prozent schätzen am meisten die Zahnärztinnen und -ärzte den kollegialen Austausch.

Mehrheit mit der Entscheidung zur Niederlassung zufrieden

Die Studie zeigt auch, dass der Schritt in die Selbstständigkeit nur selten bereut wird. Demnach würden sich 85 Prozent der Befragten auch heute wieder selbständig machen – das sind im Vergleich zu der letzten Erhebung im Jahr 2014 fünf Prozentpunkte weniger. Vor allem Fachärztinnen und -ärzte sind mit ihrer Entscheidung zufrieden: Ganze 93 Prozent würden den Schritt in die Selbständigkeit wieder tun. Bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten liegt der Anteil derer, die sich nicht erneut selbstständig machen würden, mit 19 Prozent am höchsten von den befragten Gruppen.

Weiterhin fehlen Nachfolger

Gefragt, welche Rahmenbedingungen sich ändern müssten, damit sie sich für die Selbstständigkeit entscheiden würden, setzten Frauen und Männer andere Schwerpunkte. Für Frauen sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (69 Prozent) und eine bessere Vorbereitung auf die unternehmerischen Aspekte (44 Prozent) besonders wichtig, für Männer sind sie dies nur zu 56 beziehungsweise 28 Prozent. Der „harte Kern“, der sich auch bei geänderten Rahmenbedingungen nicht niederlassen würde, liegt bei den Männern bei 15 Prozent, bei den Frauen aber nur bei 10 Prozent.

„Insgesamt spiegeln uns die Studienteilnehmenden: Niederlassung ist anspruchsvoll – nicht zuletzt aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen –, aber sie lohnt sich“, fasst Zehnich zusammen. „Die Freiheit in der Berufsausübung scheint ein hohes Gut zu sein und natürlich die Möglichkeit eines höheren Einkommens. Trotzdem haben wir nicht genügend Nachfolgerinnen und Nachfolger für die zur Abgabe stehenden Praxen und Apotheken. Dabei könnte weniger Regulatorik den Entschluss zur Niederlassung begünstigen, genau wie gezielte finanzielle Förderprogramme oder eine bessere Vorbereitung auf unternehmerische Aspekte.“

Methodik

Die ApoBank-Studie „Niederlassen oder lieber lassen?“ ist eine modifizierte Neuauflage der Studie „Chance Niederlassung“ aus dem Jahr 2014. Mit der Durchführung wurde das Marktforschungsinstitut DocCheck Insights (Köln) beauftragt. Befragt wurden 800 Heilberuflerinnen und Heilberufler, davon jeweils 200 Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner, 200 Fachärztinnen und -ärzte, 200 Zahnärzte und -ärztinnen sowie 200 Apotheker und Apothekerinnen, die sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre für oder gegen die Niederlassung entschieden haben. Die Befragung wurde vom 25. Juli bis 5. September 2022 online auf Basis einer Zufallsstichprobe durchgeführt.

 

Reference: med.dent.magazin Praxis Wirtschaft

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
19. Apr 2024

Landesregierung will Zahnärzte in Ungarn ausbilden

Ministerpräsident und KZV Sachsen-Anhalt gemeinsam aktiv – Besuch bei Stipendiaten an der Universität Pécs
19. Apr 2024

Sachsen startet Kurs für ausländische Zahnärztinnen und Zahnärzte

Zur Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung – dem Fachkräftemangel aktiv begegnen
17. Apr 2024

ApoBank profitiert von der Zinswende

6 Prozent Dividende vorgeschlagen – Online-Banking soll verbessert werden, neue Vorteile für Mitglieder
16. Apr 2024

Zahnmedizin-Studierende in Brandenburg starten ins Studium

Neuer Studiengang an der Medizinischen Hochschule Brandenburg – 48 Erstsemester angenommen
15. Apr 2024

Prof. Moritz Kebschull ist neuer Präsident der EFP

Leitlinien, mehr Aus- und Weiterbildung für die Zahnärztinnen und Zahnärzte und Förderung junger Wissenschaftler auf der Agenda
15. Apr 2024

Eigene Szenarien erarbeiten, statt auf die Politik zu warten

Das alte System wird um- und abgebaut, es fehlt an Geld – die Zahnärzteschaft muss Antworten für die Zukunft finden, so Dr. Uwe Axel Richter
15. Apr 2024

„Wir stehen vor einem großen Wandel, und das darf man durchaus kritisch sehen“

Dr. Romy Ermler, Vizepräsidentin der BZÄK, über die Arbeit an und mit der GOZ, wie sich junge Zahnärztinnen und Zahnärzte gewinnen lassen und was sie antreibt
15. Apr 2024

Zahnmedizin in Nordrhein überdurchschnittlich betroffen

Fehlentscheidungen und ausbleibende gesetzliche Regelungen – Kritik auf Bundesebene bekräftigt