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Der Zahnarzt spielt in der onkologischen Therapie vor allem eine unterstützende Rolle


Dr. Nadine Rettig-Günther

Die Häufigkeit der Malignomerkrankungen nimmt kontinuierlich zu. Je nach Art der Tumortherapie ergeben sich Konsequenzen für die zahnärztliche Behandlung. In ihrem Beitrag für das Quintessenz Team Journal 7-8/2018 stellt Dr. Nadine Rettig-Günther die zahnmedizinisch relevanten Folgen, ihre Besonderheiten und ihre Behandlung zusammen.

Vor jeder systemischen Tumortherapie und Bestrahlung im Kopf-Halsbereich sollte eine zahnärztliche Untersuchung und gegebenenfalls Sanierung der Entzündungs- beziehungsweise Schmerzquellen erfolgen. Bei Radiato ist die Mukositis, Candidainfektion und Strahlenkaries eine häufige Folge. Zur Prävention und Therapie kommen primär lokale Maßnahmen wie Fluoridierung, Mundspüllösungen und Salben zum Einsatz. Bei dem Einsatz von Zytostatika kann die Myelosuppression zu einer erhöhten Infektionsneigung und Blutungsneigung führen, was bei der zahnärztlichen Behandlung der Patienten beachtet werden muss. Die systemische Therapie mit Bisphosphonaten bewirkt eine Veränderung des Knochenstoffwechsels. Als Komplikation treten im Kieferbereich, insbesondere bei Missachtung der Sicherheitskautelen, Kiefernekrosen auf. 

Den Erfordernissen einer modernen Zahnarztpraxis entsprechend, wendet sich das „Quintessenz Team-Journal“ an das gesamte zahnärztliche Team - den Zahnarzt und seine Mitarbeiterinnen, von der Auszubildenden bis zur Dentalhygienikerin. Neben dem Basiswissen für die Auszubildende sorgen Beiträge aus dem klinischen Bereich für ein Kompetenz-Plus. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


In Deutschland verzeichnete das Robert-Koch-Institut rund 500.000 Malignomerkankungen im Jahr 2016. Insgesamt leben in Deutschland etwa vier Millionen Menschen, die aktuell oder zu einem früheren Zeitpunkt an einer mali­gnen Erkrankung gelitten haben. Im Bereich des Mundes und Rachenraums waren rund 13.000 Männer und Frauen betroffen15. Tendenziell nimmt die Inzidenz der Krebs­erkrankungen in Deutschland zu. Dies ist insbesondere auf eine verbesserte Diagnostik zurückzuführen2. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient auf dem Zahnarztstuhl an einer malignen Erkrankung litt oder aktuell noch leidet, ist also relativ hoch. Der Zahnarzt spielt in der onkologischen Therapie vor allem eine unterstützende Rolle. Komplikationen, die während beziehungsweise nach der onkologischen Therapie oder bei der Grunderkrankung intraoral auftreten, sollen behandelt oder im besten Falle vermieden werden. 

Es ergeben sich grundsätzlich drei verschiedene Therapieansätze, um eine maligne Erkrankung zu therapieren. Dabei handelt es sich um die Resektion (vollständige beziehungsweise teilweise), die Strahlentherapie und die systemische Tumortherapie (Chemotherapie beziehungsweise Bisphosphonattherapie). Die Therapieansätze können miteinander kombiniert werden. Welcher Ansatz gewählt wird, ist abhängig von Tumorart, Größe und Lokalisation. In diesem Artikel wird sowohl auf die Strahlentherapie als auch auf die systemische Tumortherapie näher eingegangen.

Zahnärztliche Behandlung vor onkologischer Therapie

Vor jeder systemischen Tumortherapie – aber auch jeder Strahlentherapie im Kopf-Halsbereich sollten Patienten vom Zahnarzt gründlich nach potenziellen beziehungsweise vorhandenen Entzündungs- oder Schmerzquellen untersucht werden, die den Ablauf der onko­logischen Therapie behindern könnten11,18,9. 

Die zahnärztliche Untersuchung setzt sich zusammen aus klinischer und röntgenologischer Diagnostik. Bei der oralen Inspektion wird insbesondere auf die Überprüfung der Sensibilität der Zähne, die Befundung des Parodontiums und die Kariesdiagnostik Wert gelegt. Die Überprüfung des vorhandenen Zahnersatzes auf Qualitätsmängel sowie die Inspektion der Mundschleimhaut gehören ebenfalls zum Standardprotokoll. Die Entfernung der weichen und harten Beläge, idealerweise im Rahmen einer professionellen Zahnreinigung, ist in den meisten Fällen sinnvoll. Das Orthopantomogramm (OPTG) dient primär der röntgenologischen Diagnostik. Ergänzend können zur detaillierten Darstellung einzelner Zähne, insbesondere zur apikalen Diagnostik wurzelkanalbehandelter Zähne, intraorale Tubusaufnahmen angefertigt werden. Reicht die konventionelle Röntgendiagnostik nicht aus, sind dreidimensionale Aufnahmen wie die dentale Volumentomographie (DVT) indiziert. Diese gehört jedoch nicht zu der Standarddiagnostik. 

Sanierung dem Zustand des Patienten anpassen

Der Umfang der zahnärztlichen Sanierung richtet sich nach Beginn und Art der onkologischen Therapie, der Dringlichkeit des zu sanierenden Befundes sowie der Prognosis quoad vitam des Patienten. Der Beginn der onkologischen Therapie sollte nur in Ausnahmefällen verzögert werden. Übertrieben radikale Sanierungen sollten vermieden werden. Der Umfang der Sanierung wird dem individuellen Risiko des Patienten angepasst. Bei Strahlentherapiepatienten muss, auf Grund des hohen Risikos der Osteoradionekrose, die Indikation zum Zahnerhalt im Unterkiefer-Molarenbereich besonders streng geprüft werden. Bei dem neutropenen Chemotherapiepatienten sind es häufig die stark parodontal geschädigten Zähne mit Furkationsbeteiligung und die teilretinierten Weisheitszähne mit Tendenz zur Perikoronitis, die während der Chemotherapie zu Problemen beziehungsweise zu systemischer Infektion führen können. Sie sollten deshalb nach Möglichkeit im Vorhinein entfernt werden. Patienten vor Bisphosphonattherapie sollten nur die Zähne entfernt werden, die auch bei einem gesunden Patienten als nicht-erhaltungswürdig gelten würden. Zähne, die zu Schmerzen oder zur Exazerbation führen können und dadurch eine Unterbrechung der onkologischen Therapie hervorrufen, sollten ebenfalls vorher behandelt werden. Dazu zählen am häufigsten Zähne mit einer Karies profunda, avitale Zähne oder Zähne mit einer akuten oder chronischen apikalen Parodontitis. Auf Grund der meist zeitnah anstehenden onkologischen Therapie ist abzuwiegen, welche Befunde vorher und welche nachher saniert werden können. Dazu und auch zu den anderen Punkten ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen oft sinnvoll. Nach Extraktion sollte für die Wundheilung ein Zeitfenster von mindestens zehn bis 14 Tagen eingehalten werden21.

Strahlentherapierte Patienten in der Zahnarztpraxis

Liegt der Kopf-Halsbereich im Bestrahlungsfeld, ergeben sich Konsequenzen für die zahnärztliche Behandlung. Kieferknochen, Zähne, Mundschleimhaut und Speicheldrüsen können durch die Strahlentherapie kompromittiert sein. Die Strahlendosis liegt meistens bei 60 bis 70 Gy9. 

Liegen im Bestrahlungsfeld metallische Oberflächen, führt dies zur Entstehung von Sekundärstrahlung. Dies bewirkt eine Dosiserhöhung und damit eine stärkere Schädigung der direkt anliegenden Weichteile19. Die Anfertigung von Schleimhautretraktoren, Kunststoffschienen mit einer Mindestschichtstärke von 3 mm, können die schädigende Wirkung weitestgehend kompensieren28. Ebenfalls können zur Vorbeugung kariöser Läsionen („Strahlenkaries“) Tiefziehschienen als Fluoridierungsschienen angefertigt werden. Diese können während der Strahlentherapie zweimal täglich mit Fluoridgel beschickt für fünf bis zehn Minuten eingesetzt werden. Die konsequente lebenslange Weiterführung der Fluoridierung wird empfohlen16. 

Mukositis und Candidainfektion


Abb. 1 Mukositis Oberkiefer palatinal.

Eine Mukositis beginnt bereits bei einer Strahlendosis von ca. 40 Gy und verschlechtert sich im weiteren Verlauf der Strahlentherapie2 (Abb. 1). Die Umstellung des Ernährungsplans auf weiche Kost und Prothesenkarenz dienen zwar als Prophylaxe, können aber eine Mukositis meistens nicht verhindern. Klinisch imponiert die Mukositis erst als Rötung, dann als Schwellung und letztlich als Ulzeration in den betroffenen Mundschleimhautarealen24. Die Spülung mit Bepanthen-Lösung und Salbeitee sowie die Umstellung der häuslichen Mundhygiene auf eine weiche Zahnbürste und milde Zahnpasta können sowohl als Prophylaxe als auch zur Therapie einer Mukositis eingesetzt werden. Bei persistierender schmerzhafter Mukositis können topische Analgetika und Antibiotika verwendet werden. In der S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ werden die verschiedenen Medikamente zur Behandlung und Prävention einer Mukositis diskutiert, jedoch können nur wenige auf Grund von fehlender Evidenz empfohlen werden18. Nach Abschluss der Bestrahlung heilt die Mukositis meistens ohne bleibende Läsionen ab.

Die häufig positive Pilzkultur bei strahlentherapierten Patienten zeigt oft keine klinische Manifestation9. Die Candidiasis birgt das Risiko der Ausbreitung bis zu einer chronisch atrophischen Soor-Infektion und Ösophagusstrikturen22. Die prophylaktische Gabe von topischen Antimykotika (zum Beispiel Nystatin) wird deshalb häufig empfohlen. 

Xerostomie und Strahlenkaries 

Liegen die Speicheldrüsen im Bestrahlungsfeld, kommt es von Anfang an zu einer Beeinträchtigung ihrer Funktion. Zu einer permanenten Schädigung kommt es meistens ab einer Dosis von mehr als 40 Gy17. Zum Einsatz kommen Speichelersatzmittel (zum Beispiel Pilocarpin) und Speichelstimulanzien bei manifester Radioxerostomie. Durch die Xerostomie wird das Gleichgewicht der Re- und Demineralisation der Zahnhartsubstanz gestört. In der Literatur besteht Uneinigkeit, ob es zusätzlich zu einer direkten radiogenen Schädigung der Zahnhartsubstanz und der Pulpa kommt. Besonders häufig treten Läsionen im Bereich der Schmelz-Dentin- Grenze auf, die sich unterminierend ausbreiten12. Wichtig zur Prophylaxe der Strahlenkaries ist die lebenslange Anwendung von Fluoridpräparaten. Auf Grund des rasch fortschreitenden Charakters der Strahlenkaries ist eine zeitnahe und konsequente restaurative Versorgung von vorhandenen kariösen Defekten anzustreben13. Auf Grund der reduzierten Speichelsekretion kommt es häufiger zu einem Verlust der Restauration. Als Restauration sind direkte Füllungsmaterialien wie Komposite oder kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente am besten geeignet14. 

Osteoradionekrose

Die Schädigung der Blutgefäße tritt ab einer kumulativen Dosis von 20 bis 30 Gy auf17. Insbesondere bei großen Gefäßen kommt es zu Fibrosierung der Gefäßwände und zu einer kontinuierlichen Verengung bis zur potenziellen Obliteration. Dieses Phänomen kann zur Ischämie und Gewebsnekrose führen. Ebenso kommt es zu einer Verringerung der Dichte an Osteozyten10. Als schwerwiegende Folge der Schädigung des Knochengewebes durch die Bestrahlung tritt die Osteoradionekrose zu 2 bis 11 Prozent auf27 (Abb. 2). Betroffen hiervon ist hauptsächlich der Unterkiefer (Abb. 3 und 4). Es sollte deshalb vor der Bestrahlung die Erhaltungswürdigkeit der Zähne im Unterkiefer besonders streng geprüft werden. Während der Bestrahlung bis circa sechs Wochen danach sollten Zahnentfernungen oder andere oralchirurgische Maßnahmen vermieden werden. Müssen Zähne nach der Bestrahlung entfernt werden, dann sollte dies nur mit vorheriger Antibiose, sorgfältiger Glättung aller Knochenkanten sowie der plastischen Deckung der Wunde erfolgen.

Systemische Tumortherapie

Chemotherapie-Patienten in der Zahnarztpraxis 

Zytostatika sind Substanzen, die zytotoxisch oder zytostatisch auf stark proliferierende Zellen wirken. Dadurch können sie bei ausgebreiteten Tumoren oder bei Metastasen gut eingesetzt werden. Durch das Eingreifen in Stoffwechsel- oder Zellteilungsvorgänge wirken Zytostatika besonders gut auf Zellen mit einer hohen Zellteilungsrate. Auf Grund der unspezifischen Wirkung sind nicht nur die Tumorzellen, sondern auch Zellen des Knochenmarks, der Haarfollikel und Epithelzellen der Mundschleimhaut und Gastrointestinaltraktes betroffen26. 

Mukositis und Myelosuppression

Als Folge der zytostatisch wirkenden Chemotherapie tritt häufig eine oralen Mukositis auf. Etwa zehn Tage nach Therapiebeginn kommt es zu Ulzerationen im Bereich des Oropharynx und zu Dysphagie23. Zur Prophylaxe wird eine gute häusliche Mundhygiene und regelmäßige Mundspülung durch die S3-Leitlinie „Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen“ empfohlen18. Gemischte Mundspülung mit topischen Anästhetika, wie zum Beispiel Lidocain, kommen ebenfalls zum Einsatz. 

Die häufig zusätzlich auftretende Myelosuppression bewirkt eine Abnahme der Leukozyten, insbesondere der neutrophilen Granulozyten. Dies führt zu einer erhöhten Infektionsneigung. Die Kombination aus Neutropenie und Mukositis kann zur lebensbedrohlichen Sepsis führen3. Als Konsequenz sollte vor und während der Chemotherapie besonders auf gute Mundhygiene geachtet und die Patienten dementsprechend instruiert werden. Auch die chronischen Infektionen in der Mundhöhle, wie die chronische Parodontitis und apikale Parodontitis, können bei den neutropenen, immunsuppremierten Patienten zu einer systemischen Infektion führen1. Die Ausprägung und Dauer der Neutropenie beziehungsweise Panzytopenie birgt ein hohes Risiko für bakterielle Infektion. Besonders ausgeprägt ist die Panzytopenie und das Risiko für dentale Infektionen bei Patienten vor und bis zu 12 Monate nach Stammzelltransplantation. Eine Stammzelltransplantation erhalten Patienten mit Leukämie oder Lymphom, bei denen eine Strahlen- oder chemotherapeutische Therapie keinen ausreichenden Erfolg hatte oder wenn es zu einem Rezidiv der Erkrankung gekommen ist. Bei diesen Patienten ist eine zahnärztliche Sanierung vor Therapie und eine engmaschige Kontrolle während und nach Stammzelltransplantation besonders wichtig4.  

Die Myelosuppression verursacht außerdem eine Thrombozytopenie. Bei zahnärztlichen Behandlungen muss die erhöhte Infektions- und Blutungsneigung beachtet werden. Der kritische Grenzwert für invasive zahnärztliche Behandlung wird für neutrophile Granulozyten mit 1.000 Zellen/mlm angegeben. Liegen weniger neutrophile Granulozyten vor, ist vor invasiver zahnärztlicher Therapie eine antibiotische Abschirmung nötig. Die Thrombozyten sollten vor invasiver zahnärztlicher Behandlung bei mindestens 50.000 Zellen/ml liegen. Liegt eine Konzentration von unter 20.000 Zellen/ml vor, muss die mechanische Mundhygiene eingeschränkt werden7. In diesem Fall werden Mundspüllösungen wie Chlorhexidin als Plaqueprophylaxe empfohlen. Kommt es während der Chemotherapie zu Übelkeit und häufigen Erbrechen, sind Erosionen der Zahnhartsubstanz und Karies an Zahnhals und im Wurzelbereich die Folge. Die Therapie der Läsionen kann soweit möglich während oder spätestens nach Chemotherapie mit adhäsiv befestigten direkten oder indirekten Restaurationen erfolgen.

Folgen der Chemotherapie

Nach Beenden der Chemotherapie bestehen die meisten oralen Komplikationen nicht mehr. Jedoch besteht ein höheres Risiko für die Entstehung von sekundären malignen Erkrankungen in der Mundhöhle8. Während und nach Stammzelltransplantation tritt bei circa 50 Prozent der Patienten eine Graft-versus-Host-Reaktion auf. Hierbei kommt es zu einer immunologischen Reaktion, bei der die transplantierten Zellen (Graft) das eigene Gewebe (Host) als fremd erkennen. Es können verschiedene Organe betroffen sein, häufig treten Veränderungen im Bereich der Haut (auch Mundschleimhaut), des Darms und/oder der Leber auf. Als orale Manifestation zeigen sich erythematöse, liche­noide und ulzeröse Veränderungen aber auch Mukozelen (Abb. 5 und 6)26. Durch Destruktion der Speicheldrüse kann sich zusätzlich eine Sicca-Symptomatik entwickeln25. Bei den zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen sollte immer die Inspektion der Mundschleimhaut erfolgen.

Bisphosphonatpatienten in der Zahnarztpraxis

Bisphosphonate wirken als Inhibitoren der Osteoklasten und wirken damit auf den Knochenstoffwechsel. Je nach verwendeten Medikament haben sie eine Halbwertzeit von Monaten bis zu mehreren Jahren26. Die häufigsten Grunderkrankungen, bei der eine Bisphosphonatanamnese vorkommen kann, ist die Osteoporose, das multiple Myelom, ossäre Metastasen solider Tumoren (insbesondere die Mamma- oder Prostatakarzinome) und Morbus Paget18. Bereits 2003 wurden erste Fallberichte über Patienten mit Kiefernekrose nach Bisphosphonattherapie publiziert. Ein erhöhtes Risiko für Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrosen besteht bei hoher Dosis, langer Therapiedauer und intravenöser Gabe. Diese Kombination liegt häufig bei maligner Grunderkrankung vor11. Lokale Risikofaktoren für das Auftreten einer Bisphosphonat-assoziierten Kiefernekrose ist die dentoalveoläre Chirurgie (insbesondere wenn sie ohne Sicherheitskautelen durchgeführt wird), akute Parodontalerkrankungen und Prothesen mit Druckstellenrisiko6 (Abb. 7). Die Zahnentfernung während oder nach Bisphosphonattherapie sollte nur unter Sicherheitskautelen durchgeführt werden. Diese beinhaltet die Gabe einer vorherigen Antibiose, die sorgfältige Glättung aller scharfen Knochenkanten und die primäre plastische Deckung (Abb. 8). Besteht der Verdacht auf eine Bisphosphonat-assoziierte Kiefernekrose, sollte der Patient an einen hierfür spezialisierten Behandler überwiesen werden11. 

Bisphosphonate sind nicht die einzigen Substanzen, die zu einer medikamentenassoziierten Kiefernekrose führen. Substanzen wie zum Beispiel Denosumab und Bevacizumab werden vermehrt zur Therapie von Osteoporose sowie zur Prävention und Therapie ossärer Metastasen eingesetzt. Beide Substanzen sind monoklonale Antikörper. Denosumab bewirkt eine reversible Hemmung der Osteoklasten und greift somit in den Knochenumbau ein. Bevacizumab führt zu einer Hemmung der Angiogenese und dadurch zu Wundheilungsstörungen20. Beide können Kiefernekrosen verursachen. Zur Prophylaxe der Kiefernekrosen werden die gleichen Sicherheitsmaßnahmen wie bei Bisphosphonattherapie empfohlen.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Nadine Rettig-Günther und Prof. Dr. med. dent. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas, beide Mainz

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Reference: Quintessenz Team-Journal, Ausgabe 7-8/18 Zahnmedizin Team Interdisziplinär

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