0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1670 Views

Geschlechteraspekte in der Schmerzmedizin stärker berücksichtigen – unterschiedliche Wirkung und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln

(c) Anana_go/Shutterstock.com

Frauen und Männer empfinden Schmerzen unterschiedlich und auch Schmerzmedikamente wirken geschlechtsabhängig. Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, Leiterin der Arbeitsgruppe „Cognition & Gender“ an der Klinik für Radiologie der medizinischen Fakultät der Universität Münster, forderte in ihrem Exzellenzvortrag zum Auftakt des Deutschen Schmerz- und Palliativtags Mitte März 2024, dieses Wissen in der Schmerzmedizin stärker zu berücksichtigen.

Schon im 19. Jahrhundert wurde behauptet, dass Frauen empfindlichere Nerven hätten. Moderne wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen eine niedrigere Schmerzschwelle bei Frauen. Etwa 70 Prozent der Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, sind weiblich. „In Studien zur Untersuchung von Schmerzmitteln spiegelt sich dieses Geschlechterverhältnis jedoch noch nicht wider, was zu verzerrten Ergebnissen führt“, kritisiert Pfleiderer.

Viele unterschiedliche Faktoren berücksichtigen

Bei der Untersuchung geschlechtersensibler Aspekte in der Schmerzmedizin müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, die die Schmerzverarbeitung beeinflussen. Dazu gehören Gene, Hormone, Alter, soziale Faktoren, vorherige Schmerzerfahrungen und auch das Gehirn. Frauen empfinden beispielsweise Druckschmerz stärker als Männer, unter anderem aufgrund ihrer dünneren Haut. Das weibliche Hormon Östrogen erhöht ebenfalls die Schmerzempfindlichkeit, während Testosteron Schmerzreize eher dämpft. Vielen Schmerzmedizinern ist nicht bewusst, dass die Strukturen des Gehirns, die in der Schmerzverarbeitung involviert sind, auch Östrogenrezeptoren aufweisen.

Geschlechtsabhängige Wirkung und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln

Deshalb sind auch die Wirkungen und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln geschlechtsabhängig. Bei Paracetamol gibt es zwar keinen geschlechtsabhängigen Effekt auf die schmerzlindernde Wirkung, aber die Ausscheidung unterscheidet sich deutlich und ist bei Frauen um etwa 30 Prozent reduziert. Das führt dazu, dass Überdosierungen oder langfristige Anwendungen bei Frauen schneller zu irreversiblen Leberschäden führen als bei Männern. Bei Opioiden hingegen machen sich geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl in der Wirkung als auch in den Nebenwirkungen bemerkbar. Für lipophile Opioide beispielsweise ist der höhere Fettanteil von Frauen klinisch relevant und das Bindungspotenzial bei Frauen deutlich höher, erläuterte Pfleiderer.

Wissen zu Geschlechtsunterschieden in der Schmerzmedizin noch unzureichend

Das Wissen über geschlechtsabhängige Unterschiede in der Schmerzmedizin ist jedoch noch nicht weit verbreitet. In einer Umfrage unter mehr als 2.000 Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der medizinischen Fakultäten der Universitäten Münster und Duisburg-Essen konnten nur 30 Prozent der Befragten die Fragen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Schmerzmedizin richtig beantworten.

Geschlecht des Studienleiters beeinflusst das Ergebnis

Ein weiterer Faktor, der die Studienergebnisse verzerren kann, ist das Geschlecht der Studienleiter. Das hätten Studien mit Mäusen und Ratten gezeigt. Die Tiere wurden mit T-Shirts konfrontiert, die von Männern getragen wurden, was zu physiologischen Stressreaktionen und einer geringeren Schmerzwahrnehmung führte. Der Grund dafür sei eine stressinduzierte Analgesie gewesen. Pfleiderer forderte daher eine verpflichtende stärkere Berücksichtigung des Geschlechts in Studien sowie die Angabe des Geschlechts der Versuchsleiter, um Ergebnisse zu standardisieren.

Bio-psycho-soziales Schmerzmodell mit Geschlechtsaspekt

Ein erster Schritt ist aus ihrer Sicht die stärkere Berücksichtigung des Geschlechtsaspekts im bio-psycho-sozialen Schmerzmodell. Aktuell wird der Geschlechtsaspekt nur in der Kategorie „sozial“ genannt. Aber auch in den Kategorien „bio“ und „psycho“ sind geschlechtsspezifische Aspekte hoch relevant und sollten entsprechend aufgeführt und berücksichtigt werden, so Pfleiderer.

 

Reference: Interdisziplinär Zahnmedizin Patientenkommunikation

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
15. May 2024

Licht ins Laserlabyrinth

Quintessenz Zahnmedizin 5/2024 hat den Schwerpunkt „Laser in der Zahnmedizin“
15. May 2024

ITI in Singapur: Der „größte internationale Kongress für Implantologie aller Zeiten“

ITI World Symposium 2024 mit Rekordbeteiligung von mehr als 5.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
14. May 2024

Inklusiver Zahnputzplan für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung

Neues Serviceangebot der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
13. May 2024

„Zahnmedizin 2024: Welche Qualität müssen wir uns leisten?“

Auf dem DGZMK/APW-Jahreskongress 2024 treffen wissenschaftliche Empfehlungen auf Versorgungsrealität
10. May 2024

Prof. Johannes Einwag bekommt die Tholuck Medaille

Festliche Verleihung auf der Mitgliederversammlung des Vereins für Zahnhygiene e.V. in Würzburg
10. May 2024

Das Ziel ist gut begründet, der Weg dorthin aber unklar

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich zum Impulspapier „Orale Medizin – Die Zukunft der Zahnmedizin“
8. May 2024

Acht neue „Klug entscheiden“-Empfehlungen in der Medizin

Initiative der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin (DGIM) hilft, unnötige Prozeduren und Kosten zu vermeiden
8. May 2024

Rheinland-pfälzischen Zahnärzte haben sich interdisziplinär ausgetauscht

Multimorbidität, Polypharmazie und weitere Probleme erfordern ein Zusammenspiel der Experten