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Ein Patientenfall zeigt das Potenzial der Kombination von modernen chirurgischen Techniken und kreuzvernetzter Membranen

Klinische Ausgangssituation am linken zentralen Schneidezahn: tiefer und breiter Gingivadefekt weit unterhalb der Mukogingivalgrenze, entsprechend einer Extraktionsalveole vom Typ 329.

Die gesteuerte Knochenregeneration zur Erhaltung des Alveolarkamms im Rahmen der Zahnentfernung stellte in den vergangenen Jahren ein wichtiges Forschungsfeld dar. Für Verfahren zur Knochenaugmentation steht eine ständig wachsende Anzahl von Biomaterialien im Handel zur Verfügung, was die „richtige“ Wahl in der täglichen Praxis zunehmend komplexer macht. Vernetzte Kollagenmembranen haben immer noch einen eher kontroversen Ruf und sind weniger beliebt als native Kollagenmembranen. Anhand des vorliegenden Falls beschreiben die Autoren PD Dr. Kai Fischer und Prof. Patrick Schmidlin in ihrem Beitrag für die Implantologie 2/21 die Gründe für die Auswahl von zwei verschiedenen, mit Ribose vernetzten Biomaterialien bei schwerem Verlust von Hart- und Weichgewebe im Oberkiefer.

Im ersten Schritt wurde die ursprüngliche Kammdimension unmittelbar nach Zahnextraktion wiederhergestellt. Dies erfolgte mithilfe einer „Zeltschraube“ unter Verwendung einer traditionellen, dünnen Kollagenmembran in Kombination mit einem Bindegewebetransplantat und einem allogenen Knochenersatzmaterial. Anschließend wurde bei der Implantation eine neuartige, 2 mm dicke Kollagenmatrix zur vereinfachten Korrektur der Knochenkontur angewendet. Schließlich wurde vor dem Einsetzen der endgültigen Krone eine provisorische Restauration für die Gewebeausformung installiert. Abschließend zeigten sich stabile Hart- und Weichgewebedimensionen. Die Wahl der Membran könnte einer der wichtigsten Kriterien für den Erfolg des Verfahrens sein.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die Implantattherapie ist ein Routineverfahren für den Ersatz fehlender Zähne geworden. In diesem Zusammenhang sind Zahnärzte hinsichtlich der Zahnentfernung und des Erhalts des verfügbaren Alveolarknochens sensibilisiert. Die folgenden Fragen sind dabei von äußerster Relevanz: 

  • Ist es notwendig, den Knochen zu erhalten, zum Beispiel aus prothetischen oder ästhetischen Gründen?
  • Welche Technik ist die beste, zum Beispiel in Bezug auf das Abdecken der Alveole und das Weich­gewebemanagement?
  • Welche sind die „besten“ Biomaterialien für diesen Zweck – unter Berücksichtigung der Art des Füllmaterials oder der Membran, der Resorptionsrate, des Infektionsrisikos und weiterer Aspekte?

Insbesondere im Bereich der Oberkieferfront fragen Patienten nicht nur nach funktionellen, sondern auch nach ästhetisch zufriedenstellenden Ergebnissen. Die Perspektive des Patienten entspricht jedoch häufig nicht der Meinung des Zahnarztes und wird nicht nur vom ästhetischen Ergebnis selbst, sondern auch von der durchgeführten Behandlung beeinflusst1. Beispielsweise scheint die Bildung von Narbengewebe keinen oder nur geringen Einfluss auf die Patientenzufriedenheit zu haben2, und ästhetische Erwartungen können in kompromittierten Fällen mit Gingivarezession oder parodontaler Zerstörung niedriger sein. Insbesondere im Frontzahnbereich sind häufig mehrzeitige Ansätze erforderlich, die verschiedene chirurgische und prothetische Schritte umfassen, um zufriedenstellende und stabile Langzeitergebnisse in Bezug auf Hart- und Weichgewebe zu erzielen3.

Der Erhalt des Alveolarkamms

Bei der Durchführung einer Technik zur Erhaltung des Alveolarkamms (englisch alveolar ridge preservation, ARP) sind die Hauptziele der Erhalt oder die Wiederherstellung der Weich- und Hartgewebe im Bereich der Extraktionsalveole mit Minimierung der Kammschrumpfung sowie die Erleichterung einer späteren Implantation, idealerweise ohne weitere augmentative Maßnahme4. Durch ARP können weitere Verfahren zur Knochenaugmentation vermieden und gleichzeitig hohe Erfolgsraten bei Implantaten erzielt werden – vergleichbar mit denen bei Implantaten, die in nativen Knochen eingesetzt werden. Bisher hat sich noch keine spezifische Technik oder kein Biomaterial als in der Lage erwiesen, die ursprünglichen Alveolarkammdimensionen vollständig zu erhalten, und der Einfluss von ARP auf den langfristigen Implantaterfolg bleibt in vielerlei Hinsicht unklar5,6. Nach Auffüllung mit Knochenersatzmaterial (KEM) mit lan­gsamer Resorptionsrate wurde über eine verzögerte Heilung der Extraktionsalveole gepaart mit einer unvollständigen Knochenregeneration und der Einkapselung von KEM-Partikeln im Weichgewebe berichtet7–10.

Insbesondere KEM mit einer relativ schnellen Substitutionsrate wie Allografts könnten für ARP geeignet sein und scheinen nach angemessener Heilungszeit einen vitaleren Knochen mit weniger bis keinen verbleibenden Partikeln zu erzielen11–13. Trotzdem ist die Verwendung einer Barrieremem­bran, insbesondere bei Alveolen mit Verlust einer oder mehrerer Knochenwände, ratsam. Eine sekundäre Heilung über einer freiliegenden Membran kann sogar zu einem besseren Erhalt des Weichgewebes führen, ohne die Knochenregeneration zu beeinträchtigen6,14,15. In diesem Zusammenhang sollte zudem erwähnt werden, dass die Implantation bei größtenteils intakten Alveolen und/oder nach einer minimalinvasiven Extraktionstechnik häufig auch ohne ARP oder mit nur minimalem Bedarf an Knochenaugmentation möglich ist. Daher scheint der klinische Nutzen von ARP in diesen Situationen unklar zu sein16. ARP kann jedoch bei fehlenden bukkalen oder oralen Knochenwänden vorteilhaft sein und zeigt dann gegebenenfalls sogar weniger Volumenverlust als bei intakten Alveolen. Tatsächlich tritt in diesen Fällen kein Verlust des Bündelknochens mehr auf und eine Regeneration der fehlenden Strukturen scheint möglich17.

Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Heilungskapazität von intakten gegenüber defizitären Alveolen unter Verwendung verschiedener Materialkombinationen (zum Beispiel native versus vernetzte Membranen in Kombination mit KEM mit hoher versus geringer Substitutionsrate) zu verstehen. Eine 2021 veröffentlichte S2k-Leitlinie zum Thema „Implantologische Indikation für die Anwendung von Knochenersatzmaterialien“ bezieht hierzu Stellung18. Hier wird aufgrund der momentanen Datenlage die Verwendung von xenogenem beziehungsweise allogenem KEM in Kombination mit einer Kollagenmembran bei defizitären Alveolen empfohlen. Die in der Leitlinie zitierte Studie von Scheyer und Kollegen19 zeigt die Problematik eines Materialvergleichs (xenogenes KEM/native Membran versus allogenes KEM/kreuzvernetzte Membran) in diesen Fällen auf. In der Gruppe mit allogenem KEM kam es zu einer verzögerten Weichgewebeheilung. Dies ist jedoch aus Sicht der Autoren nicht auf die Eigenschaften der beiden KEM zurückzuführen, sondern auf die schlechtere Biokompati­bilität von mit Glutaraldehyd vernetzten im Vergleich zu nativen Membranen20.

Basierend auf unserer klinischen Erfahrung und trotz aller Bemühungen im Zusammenhang mit ARP ist häufig eine zusätzliche Knochenaugmentation in der ästhetischen Zone erforderlich, um die ursprüngliche Kammbreite wiederherzustellen und eine ideale dreidimensionale Implantatpositionierung zu ermöglichen. Abhängig von der individuellen Heilung, der Defektgröße und den Präferenzen der Behandler kann eine gesteuerte Knochenregeneration (GBR) unter Verwendung von (nicht) resorbierbaren Membranen zusammen mit verschiedenen Augmentaten (Autografts, Allografts, Xenografts oder alloplastischen Materialien) erfolgen. In Bezug auf die Abdeckung und den Schutz von Defekten muss eine ideale Membran ihre Integrität behalten, um eine ausreichende Stabilität und Barrierefunktion zu gewährleisten, solange Regeneration und Proliferation innerhalb des Defekts ablaufen. Daher sollten je nach Indikation und klinischem Zustand unterschiedliche Resorptionszeiten berücksichtigt werden21. Native Kollagenmembranen zeigen geringere Komplikationsraten als bestimmte kreuzvernetzte Kollagen- oder Polytetrafluorethylen(PTFE)-Membranen. Mit Ribose vernetzte Kollagenmembranen dagegen zeigen eine mit nativen Membranen vergleichbare Biokompatibilität sowie Dehiszensrate20,22,23. Trotzdem könnte eine längere Barrierefunktion von vernetzten und PTFE-Membranen die Knochenregeneration mit zunehmender Defektgröße verbessern21,24. In Fällen von Wunddehiszenz und Freilegung vernetzter Membranen kann uunter Umständen jedoch eine sekundäre Heilung mit nur minimalem Einfluss auf die Knochenbildung auftreten25,26. Obwohl mithilfe von GBR vorhersehbar fehlender Knochen regeneriert werden kann, bleibt der langfristige Einfluss auf den Implantaterfolg unklar und es gibt nicht genügend Daten, um den am besten geeigneten Ansatz oder das am besten geeignete Biomaterial zu empfehlen, da groß angelegte Langzeitvergleichsstudien fehlen27,28.

Ziel dieser Falldarstellung einer stark beeinträchtigten Hart- und Weichgewebesituation ist es, die Auswahl und Anwendung von zwei verschiedenen Membranen zur Knochenregeneration aufzuzeigen und zu diskutieren.

Klinischer Fall

Eine 64-jährige Frau stellte sich in der Privatpraxis vor, um eine Zweitmeinung einzuholen, nachdem sie bereits vorab einige Zahnärzte konsultiert hatte. Die allgemein gesunde Frau hatte vor mehr als 35 Jahren eine Metall-Keramik-Krone mit anteilig gingivafarbiger Verblendung in Regio 21 erhalten (Abb. 1). Zu diesem Zeitpunkt platzierte der Zahnarzt die Krone mit einem abgewinkelten Stiftaufbau durch die Schneidekante, da der Zahn direkt unter der Nasenhöhle ankylosiert war, was die Aufnahme des digitalen Volumentomogramms (DVT) verdeutlicht (Abb. 2). Nach vielen Jahren in Funktion äußerte die Patientin den Wunsch nach einem primär funktionellen und nur sekundär ästhetischen Ersatz des Zahns oder der Krone, da eine gewisse Beweglichkeit festgestellt wurde. Die Patientin hatte eine niedrige bis mittlere Lachlinie. Eine kieferorthopädische Vorbehandlung vor Zahnentfernung zur Verbesserung der Angulation und Position der benachbarten Frontzähne wurde abgelehnt.

Der Behandlungsplan bestand aus drei Phasen: (1) Zahnextraktion mit gleichzeitiger Augmentation von Hart- und Weichgewebe, (2) Implan­tation und, falls erforderlich, zweite Knochenaugmentation, (3) vorläufige Rekonstruktion zur Gewebeausformung und endgültige Prothetik.

Schritt 1 – Extraktion mit Augmentation des Alveolarkamms und Bindegewebetransplantat

Es handelte sich um eine Extraktionsalveole vom Typ 3 nach Elian et al.29. Nach Entfernen des Zahns wurde keine bukkale Knochenlamelle bis zum Nasenhöhlenboden hin erwartet. Es wurde dennoch beschlossen, in der gleichen Sitzung eine Augmentation des Alveolarkamms mit partikulärem Allograft (Puros, Zimmer Biomet), gemischt mit plättchenreichem Fibrin (i-PRF, Mectron Deutschland) und stabilisiert mithilfe einer „Zeltschraube“ (Screw System TX, Hager & Meisinger) durchzuführen, um eine spätere Augmentation zu vermeiden oder zu vereinfachen. Die Abdeckung erfolgte mit einer porcinen ribosevernetzten Kollagenmembran (Ossix Plus, Regedent). Es wurde darauf geachtet, den Defekt nicht zu überfüllen. Die benachbarten Knochenstrukturen wurden als natürliche Regenerationsgrenzen angesehen, insbesondere unter Berücksichtigung des Parodonts des lateralen Schneidezahns. Zur Vergrößerung des bukkalen Lappens und zur Erhöhung des Weichgewebevolumens sowie der Breite der keratinisierten Gingiva wurde zuerst ein subepitheliales Bindegewebetransplantat (BGT) am bukkalen Lappen befestigt, später nach palatinal platziert und für eine sekundäre Epithelialisierung teilweise exponiert gelassen (Abb. 3 bis 5). Eine Marylandbrücke wurde als vorübergehende Restauration am anderen mittleren Schneidezahn befestigt. Nach sieben Tagen wurde eine unauffällige Primärheilung ohne Membranexposition festgestellt und die Nähte wurden entfernt (Abb. 6).

Schritt 2 – Implantation und weitere gesteuerte Geweberegeneration

Nach viermonatiger Heilung wurde ein signifikanter klinischer und radiologischer Gewinn von Kammhöhe und -breite sowie der Vestibulumtiefe festgestellt (Abb. 7 und 8). Ein Mukoperiostlappen ohne vertikale Entlastungsinzision wurde präpariert, um das Entfernen der Schrauben und das Einsetzen des Implantats zu ermöglichen. Lediglich eine minimale Resorption des Augmentats, sowohl im mesialen Aspekt als auch um den Schraubenkopf herum, wurde beobachtet (Abb. 9). Es waren keine losen Knochenpartikel zu finden, was auf eine gute Regeneration des Defekts bis zum Attachment der Nachbarzähne hinweist. Ein vollkonisches Implantat (Straumann BLX, 3,75 x 12 mm) wurde unter Verwendung von Densah-Bohrern (Versah, Jackson; Abb. 10 und 11) ohne Exposition der Implantatoberfläche platziert30. Nach der Benetzung mit i-PRF wurde eine ribosevernetzte Kollagenmatrix (ca. 1,5-2 mm dick; Ossix Volumax, Regedent) platziert, um die Knochenkontur zusätzlich zu korrigieren und zu vergrößern (Abb. 12). Vor dem spannungsfreien Primärverschluss wurde die Matrix mit Nähten stabilisiert und besondere Sorgfalt darauf verwendet, eine ausreichende Lappenmobilisation zu erreichen, um eine mögliche Ausdehnung der Matrix auszugleichen (Abb. 13).

Schritt 3 – Freilegung und Prothetik

Nach drei Monaten wurde die Freilegung unter Verwendung der Split-Finger-Technik durchgeführt31, um die approximalen Papillen nachzubilden (Abb. 14). Ein vorgefertigtes Eierschalenprovisorium wurde mithilfe eines fließfähigen Komposits mit einem provisorischen Abutment verbunden, um das Weichgewebe auszuformen und ein optimales Emergenzprofil zu erstellen (Abb. 15) Nach der Gewebeheilung und 10 Monate nach der Zahnextraktion erfolgte die endgültige palatinal verschraubte Restauration, bestehend aus einer Titanklebebasis und einem verblendeten Zirkoniumdioxidabutment (Abb. 16). Da die Patientin keine indirekte Rekonstruktion der Nachbarzähne wünschte, wurde die Mesiorotation des rechten mittleren Schneidezahns mit direktem Kompositmaterial korrigiert. Die Patientin war mit dem Ergebnis sehr zufrieden, obwohl aufgrund der Fehlstellung des lateralen Schneidezahns keine perfekte Symmetrie hinsichtlich der Gingiva erreicht werden konnte.

Diskussion

Die gesteuerte Knochenregeneration ist die beliebteste Behandlungsoption zum Knochenaufbau – entweder vor oder zum Zeitpunkt der Implantation. GBR ist besonders bei den meisten Einzelzahnlücken im Oberkiefer indiziert27,32. Ein begrenzender Faktor des GBR-Ansatzes auch im Bereich der Behandlung von Extraktionsalveolen, insbesondere zur Augmentation großer und/oder nicht selbsterhaltender Defekte wie in dem vorgestellten Fall, ist die begrenzte mechanische Stabilität von partikulärem Augmentationsmaterial, vor allem bei Verwendung nativer Kollagenmembranen ohne weitere Stabilisierungsmaßnahmen. In einem Tierversuch wurden große einwandige Defekte mit verschiedenen Behandlungsprotokollen augmentiert, einschließlich einer Kollagenmembran mit/ohne Pins, einer titanverstärkten PTFE-Membran mit Pins oder einem Knochenblocktransplantat26. Durch Analyse mittels digitaler Volumentomografie (DVT) wurde die frühe Augmentatvolumenstabilität jeder Behandlung nach dem Wundverschluss bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass die GBR-Gruppen mit nativen Kollagenmembranen, insbesondere in der Gruppe ohne zusätzliche Fixierung, einen teilweisen Kollaps im koronalen Teil des augmentierten Areals zeigten, was zu einer si­gnifikanten KEM-Delokalisation führte. Sowohl in der Knochenblockgruppe als auch in der Gruppe mit der titanverstärkten Membran konnte ein signifikant besserer Volumenerhalt erreicht werden33. Letztere Verfahren sind jedoch nicht nur techniksensibler, sondern gehen auch mit höheren Komplikationsraten einher, die auf eine geringere Weichgewebekompatibilität oder eine höhere Wahrscheinlichkeit einer frühen Wunddehiszenz zurückzuführen sind34.

Daher ist es wünschenswert, das GBR-Protokoll unter Verwendung einer „gewebefreundlichen“ Kollagenmembran anzupassen und die Augmentatstabilität zu verbessern. Aus diesem Grund sollte die in den Defekt eingebrachte „Zeltschraube“ das partikuläre KEM idealerweise vor einer anfänglichen Delokalisation durch Gewebedruck während des Wundverschlusses zusätzlich zur eingebrachten Membran schützen. Diese Methode wird erfolgreich zur Korrektur großer nicht selbsterhaltender Defekte in horizontaler oder vertikaler Dimension mit partikulärem KEM verwendet35,36.

Nach ARP konnten wir im Gegensatz zu vielen Berichten keine losen Partikel nachweisen8,10,37. Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärungen: (1) eine verlängerte Barrierefunktion oder (2) Resorbierbarkeit des angewendeten Knochenaugmentats. Die Resorptionszeit von nativem Kollagen kann durch Vernetzungstechniken erhöht werden22. Dies kann zu einem verbesserten Knochenregenerationspotenzial führen. Für die Bewertung der umstrittenen verfügbaren wissenschaftlichen Daten ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Vernetzungsmethoden zu unterscheiden: chemische Vernetzung mit zum Beispiel Glutaraldehyd und Vernetzung auf Zuckerbasis mit Ribose. Das Verfahren der chemischen Vernetzung ist häufig mit einer beeinträchtigten Biokompatibilität im Vergleich zu nativen Kollagenmembranen verbunden, während zuckervernetzte Kollagenmembranen vergleichbare Biokompatibilitätseigenschaften aufweisen20. Daher sind die postoperativen Komplikationsraten von ribosevernetzten Kollagenmembranen mit nativen Kollagenmembranen vergleichbar. Im Falle einer Exposition zeigen sie im Gegensatz zu nativen Kollagenmembranen nur eine minimal beeinträchtigte Knochenregeneration25,26. In einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie haben Hong et al. zwei ARP-Protokolle verglichen13. Während in beiden Gruppen ein allogenes KEM verwendet wurde, diente eine native Kollagenmembran mit Lappenmobilisierung zum primären Verschluss als Kontrolle und in der Testgruppe wurde eine ribosevernetzte Kollagenmembran absichtlich exponiert belassen. Nach 6 Monaten zeigte sich in der Versuchsgruppe aufgrund des weniger invasiven chirurgischen Behandlungsprotokolls eine signifikant bessere Qualität des bukkalen Gewebes unter Beibehaltung der Mukogingivalgrenze. Obwohl die Membran in der Versuchsgruppe exponiert war, führte dies zu einem höheren Volumenerhalt der augmentierten Alveole, sowohl hinsichtlich des Kammvolumens als auch der krestalen Kammbreite14.

Eine unvollständige Knochenregeneration mit bindegewebiger Einkapselung von Knochenaugmentaten ist eine häufig vorkommende Situation nach ARP mit langsam resorbierenden KEM selbst nach Heilungsperioden von bis zu 8 Monaten9,10,16. Im Falle einer Einkapselung erscheint es ratsam, lose Partikel zu entfernen und eine herkömmliche GBR durchzuführen, um den Kontakt zwischen Knochen und Implantat langfristig zu verbessern, da die Auswirkungen auf die Gesundheit des Implantats unklar bleiben9. Eine systematische Übersichtsarbeit ergab, dass Allografts nach dreimonatiger Heilung (54,4 %) im Vergleich zu Xenografts oder alloplastischen Materialien die geringste Menge an verbleibenden Partikeln (12,4–21,1 %) und die höchste Menge an neuem Knochen aufweisen. Außerdem scheint es möglich, die Implantation bereits nach 4 Monaten durchzuführen13. Allografts weisen eine hohe Substitutionsrate auf und werden in Kontakt mit Weichgewebe resorbiert, was ein Nachteil dieser Materialien sein kann, wenn maximale Volumenstabilität das Hauptziel der Behandlung ist. Dies könnte jedoch durch Verwendung einer langzeitstabilen Barrieremembran überwunden werden14,38.

Im vorliegenden Bericht konnten wir durch Verwendung der Kombination eines Bindegewebetransplantats, das teilweise exponiert war, mit einer vollständig darunter bedeckten zuckervernetzten Kollagenmembran eine nahezu vollständige Knochenregeneration innerhalb der durch das umgebende Knochen- und Parodontalgewebe festgelegten Grenzen erreichen. Dieses Protokoll führte zusätzlich zu einer verbesserten Weichgewebedicke, einem Gewinn an keratinisierter Mukosa und einer Wiedererlangung der ursprünglichen Mukogingivalgrenze.

Die Implantation war nach ARP in prothetisch optimaler Position für eine verschraubte Krone möglich. Obwohl keine Exposition der Implantatoberfläche auftrat, betrug die Dicke der bukkalen Knochenlamelle etwa 1 mm. Schwarz et al. fanden heraus, dass Implantate mit verbleibenden Dehiszenzdefekten > 1 mm nach GBR ein höheres Risiko für periimplantäre Erkrankungen und Schleimhautrezession aufweisen39. In einer kürzlich durchgeführten präklinischen Studie wurde versucht, die kritische Knochendicke zu ermitteln, um den Knochenumbau nach der Implantatinsertion zu minimieren. Eine Knochendicke von > 1,5 mm wird empfohlen, um die Dimensionsänderungen nach dem Einsetzen des Implantats auszugleichen40. Anstatt die bukkale Knochendicke mittels herkömmlicher GBR mit partikulärem KEM und Kollagenmembran während der Implantation zu verbessern, entschieden wir uns für eine Konturverbesserung mit einer neuartigen 2 mm dicken ribosevernetzten Kollagenmatrix. Es gibt präklinische und klinische histologische Hinweise darauf, dass zuckervernetztes Kollagen nicht nur resorbiert, sondern durch mineralische Apposition verknöchert und dadurch in neuen Knochen integriert wird41,42. Somit könnte dieses ribosevernetzte Kollagengerüst zur Augmentation von Hartgewebe ohne Knochenaugmentat verwendet werden43. Interessanterweise fanden Thoma et al. auch bei der Applikation einer anderen vernetzten Kollagenmatrix, die eigentlich als Weichgewebeersatz indiziert ist, eine limitierte Knochenbildung in einem Knochendefektmodell44. Diese Ergebnisse unterstreichen die mögliche Anwendung volumenstabiler vernetzter Kollagenmatrizes als alternativen Ansatz zur herkömmlichen GBR bei subperiostalem Einsatz innerhalb der natürlichen Knochenarchitektur. Bisher ist die Datenlage in diesem Bereich noch unzureichend und Vergleichsstudien (3-D-Kollagenmatrix vs. dünne Kollagenmembran mit KEM) stehen aus. Bei der Verwendung dieser Art von Materialien ist jedoch aufgrund des möglichen Auftretens eines postoperativen Ödems besondere Vorsicht geboten und auf einen spannungsfreien Verschluss zu achten43,45,46.

Insbesondere im ästhetischen Bereich können mehrere Zeitpunkte für Weichgewebekorrekturen während der Implantatbehandlung gewählt werden. In diesem Zusammenhang bleiben autogene Bindegewebetransplantate der Goldstandard47. Die Qualität und Dicke des Weichgewebes scheinen im zeitlichen Verlauf eine entscheidende Rolle für die Knochenstabilität zu spielen48,49. Die Augmentation des Weichgewebes zum Zeitpunkt der Zahnentfernung trägt zur Aufrechterhaltung des äußeren Kammvolumens bei und kann die Handhabung des Weichgewebes für die folgenden Behandlungsschritte, zum Beispiel im Rahmen einer GBR, verbessern, insbesondere bei ausgedehnter Gingivarezession50. Während des weiteren Behandlungsverlaufs können kleinere Weichgewebekorrekturen entweder mit minimalinvasiven Lappenmodifikationen, unter Anwendung eines BGT oder möglicherweise mit Weichgewebeersatz, durchgeführt werden51,52.

Der vorgestellte Fall zeigt das Potenzial der Kombination von modernen chirurgischen Techniken zusammen mit entsprechenden Biomaterialien auf. So konnte ein ästhetisch und funktionell ansprechendes Ergebnis erzielt werden. Kürzere Behandlungszeiten und weniger chirurgische Eingriffe im Vergleich zu einem traditionelleren Ansatz mit (1) Zahnextraktion ohne ARP, (2) Knochenaugmentation, (3) Implantatinsertion und (4) Weichgewebekorrektur vor der (5) Restaurationsphase sind auch für die Compliance und Zufriedenheit der Patienten von Vorteil sowie zur Reduzierung der Behandlungskosten. Trotzdem birgt die ausgewählte Behandlungssequenz einige große Risiken wie ein Heilungsversagen nach gleichzeitiger Augmentation von Weich- und Hartgewebe. Die verwendete zuckervernetzte Matrix bietet im Vergleich zu herkömmlichen GBR-Techniken möglicherweise einen vielversprechenden, weniger anspruchsvollen Ansatz zur Korrektur kleiner Knochendefekte. Der oben diskutierte wissenschaftliche Hintergrund zeigt deutlich das Potenzial der vorgeschlagenen Behandlung, aber auch den Bedarf an mehr grundlegender Forschung  auf dem Gebiet der Anwendung von Biomaterialien und zu deren Einfluss auf die Langlebigkeit der Implantate sowie die Entwicklung und Progression von periimplantären Erkrankungen.

Danksagung

Die endgültige prothetische Arbeit wurde von Dr. Frank Schütz (Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. Frank Schütz, Dr. Nader Tawassoli, Würzburg, Deutschland) und dem Zahntechnikermeister André Jung (Dentallabor „Feine Zähne“, Würzburg, Deutschland) durchgeführt. Ihre Hilfe und Unterstützung wurden sehr geschätzt.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ein Beitrag von PD Dr. Kai Fischer, Würzburg und Prof. Dr. Patrick Schmidlin, Zürich

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Implantologie 02/21 Implantologie