WissenschaftDOI: 10.3238/dzz2021.0025Seiten: 366, Sprache: DeutschDammaschke, TillIm Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung kann es in seltenen Fällen zu einer Fazialisparese kommen. Die Ursache hierfür ist bisher nicht eindeutig geklärt. Setzt die Lähmung des Nervus facialis unmittelbar nach Applikation einer Lokalanästhesie ein, ist dies vermutlich durch eine unbeabsichtigte, akzidentelle Anästhesie von Ästen des Nervus facialis zu erklären. Nach Abbau des Anästhetikums verschwindet die Lähmung und ist vollkommen reversibel. Eine direkte Schädigung des Nervus facialis mittels Injektionskanüle scheint dabei unwahrscheinlich. Davon getrennt betrachtet werden muss die verzögert auftretende Fazialisparese, die erst Stunden oder Tage nach einer zahnärztlichen Behandlung einsetzt. Verschiede Ursachen wurden in der Vergangenheit in der Literatur hierzu diskutiert. Am wahrscheinlichsten wird heutzutage die Reaktivierung von Viren (Herpes-Simplex-Virus Typ 1 oder Varizella-Zoster-Virus) aus Nervenganglien des Nervus facialis durch die zahnärztliche Behandlung angesehen. Dies kann auch in Fällen vorkommen, in denen keine Lokalanästhesie erfolgte. Zudem muss es dabei nicht zu einer sonst für einen Herpes labialis oder Herpes zoster typischen Bläschenbildung an der Haut kommen (Zoster sine herpete). Zur Therapie einer verzögert einsetzenden Fazialisparese nach zahnärztlicher Behandlung wird aktuell eine medikamentöse Therapie mit Glukokortikoid (Prednisolon) und einem Virostatika (Acyclovir) empfohlen. Für eine erfolgreiche Therapie sollte die Medikamentengabe in weniger als 72 h nach Einsetzen der ersten Symptome erfolgen. Zahnärzte sollten daher eine unverzügliche Überweisung an einen Neurologen veranlassen und sich andernfalls einer potenziellen (irreversiblen) Schädigung des Nervus facialis durch die Viren bewusst sein.
Schlagwörter: Behandlungskomplikation, Bell's Palsy, Fazialisparese, Lokalanästhesie, Virusinfektion, zahnärztliche Behandlung