0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
3453 Aufrufe

Zahnklinik würdigt Prof. Hans Moral, den ehemaligen jüdischen Direktor der Zahnklinik und Dekan der Medizinischen Fakultät, mit einer Gedenkplakette

Die Universität Rostock feierte gerade ihr 600-jähriges Jubiläum. Bei dieser Gelegenheit wurde tief in der Geschichte der Alma Mater gegraben. Dabei wurde sich insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus gewidmet, die Ergebnisse sind nun in einem Buch erschienen.

Der Rektor der Universität, Prof. Wolfgang Schareck, hatte das Werk in Auftrag gegeben. Geschrieben wurde es von Dr. Florian Detjens, der am Lehrstuhl für Zeitgeschichte und der Forschungs- und Dokumentationsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Geschichte der Diktaturen in Deutschland (FDS), umfangreich geforscht hat. Entstanden ist ein Werk, das den Titel „Am Abgrund der Bedeutungslosigkeit? Die Universität Rostock im Nationalsozialismus 1932/33–1945“ trägt. Detjens ist einer der wenigen Historiker, der seit der Wiedervereinigung eine umfassende Studie zur Universität Rostock in der NS-Zeit vorgelegt hat.

Gedenkplatte für Zahnmediziner Prof. Hans Moral

Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und in diesem Jahr der 75. Jahrestag der Befreiung der Gefangenen des Konzentrationslagers Ausschwitz, hält Florian Detjens in der Rostocker Uni-Zahnklinik während einer feierlichen Gedenkveranstaltung zum Thema „Opfer und Angepasste, die Universität im Nationalsozialismus“ einen Vortrag und stellt dabei zentrale Erkenntnisse seines Werks vor. Als besonderer Akt wird für den jüdischen Zahnmediziner Hans Moral, der seit 1913 in Rostock erst als Assistent und ab 1920 als Professor für Zahnheilkunde und Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund- und Zahnkrankheiten wirkte, in der Zahnklinik eine Gedenkplakette angebracht. Der ehemalige Direktor der Zahnklinik, Prof. Heinrich von Schwanewede, spricht zum Wirken von Hans Moral.

Prof. Hans Moral wurde der Direktor der Universitäts- und Poliklinik für Mund- und Zahnkrankheiten, die unter seiner Leitung zu einer der renommiertesten Einrichtungen der Zahnmedizin in Deutschland aufstieg. 1929 wurde er zum Dekan der Rostocker medizinischen Fakultät gewählt. Hans Moral gilt gemeinsam mit Guido Fischer als Wegbereiter der Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde. Ungeachtet seiner vielfachen Verdienste um die Zahnklinik Rostock und die Zahnmedizin an sich wurde Hans Moral aufgrund seiner jüdischen Abstammung im April 1933 durch die Landesregierung beurlaubt und bald darauf trotz Intervention der Rostocker Medizinischen Fakultät aus seinem Amt entlassen. Durch diesen Schicksalsschlag schwer getroffen, wählte Moral am 6. August 1933 im Alter von 47 Jahren den Freitod (Quellen: Universität Rostock, Wikipedia, NDR).

Wenige Opfer – aber viele Angepasste und Profiteure

Florian Detjens resümiert: „Die Universität Rostock hat nur wenig Opfer im Zuge der nationalsozialistischen Säuberungsmaßnahmen zu beklagen.“ Das habe damit zu tun, dass es beispielsweise nur sehr wenige jüdische Universitätsangehörige gab. So war Hans Moral 1933 der einzige jüdische Professor an der damaligen Medizinischen Fakultät der Uni Rostock. Zu benennen sei als weiteren jüdischen Professor David Katz, seit 1919 Professor für Pädagogik und experimentelle Psychologie an der Philosophischen Fakultät. Er war nach der sogenannten Machtergreifung Hitlers wie Hans Moral massiven antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Der Forscher sei daraufhin Anfang April 1933 zwangsweise beurlaubt und zum Januar 1934 mit gerade einmal 48 Jahren auf Grundlage des „Berufsbeamtengesetzes“ in den Ruhestand versetzt worden. Er konnte nach Großbritannien auswandern und habe 1937 eine Stelle, später eine Professur an der Universität Stockholm bekommen. Dort habe er seine wissenschaftliche Arbeit, auch gemeinsam mit seiner Frau Rosa, bis zu seinem Tod 1953, fortgesetzt. Das Institut für Pädagogische Psychologie der Uni Rostock trägt heute den Namen Rosa und David Katz.

Detjens resümiert: „Bei aller Fokussierung auf die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur darf nicht vergessen werden, dass die Universität Rostock zum großen Teil aus Angepassten, auch Profiteuren des nationalsozialistischen Regimes bestand.“ All jene hätten durch ihr Verhalten bereitwillig und wissentlich die Diktatur mitgetragen.

Prof. Stefan Creuzberger, der den Lehrstuhl für Zeitgeschichte innehat und die FDS an der Uni leitet, charakterisiert das vorgelegte Werk von Florian Detjens so: „Es handelt sich zweifellos um eine imponierende Studie, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Wir haben es im besten Sinne mit einem Stück Grundlagenforschung zu tun, die nicht nur die deutsche, sondern auch internationale Universitätsgeschichtsforschung bereichern wird.“

Titelbild: Dr. F. Detjens (links) übergibt Uni-Rektor Professor W. Schareck das frisch erschienene Buch, das sich mit der Uni Rostock in der Zeit des NS beschäftigt. Rechts im Bild: Prof. S. Creuzberger. (Bild: Wolfgang Thiel, Universität Rostock)
Quelle: Wolfgang Thiel, Universität Rostock Bunte Welt Nachrichten Menschen

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
3. Mai 2024

Reiseversicherungen – welche sind notwendig?

Schutzengel für Reisen oder Unglücksbringer fürs Portemonnaie? Reiseversicherungen auf dem Prüfstand
2. Mai 2024

Kein Anspruch auf eine Schlussformel in einem Arbeitszeugnis

Grundrechte beider Parteien sind zu beachten – Interesse des Arbeitgebers ist höher zu bewerten
2. Mai 2024

2. Mai 2024: Ab heute verbraucht Deutschland mehr Ressourcen als nachwachsen

Erdüberlastungstag in Deutschland: Wenn alle so lebten wie wir, bräuchten wir drei Erden
2. Mai 2024

„Wir können uns kontinuierlich weiterentwickeln“

„ladies dental talk“ am 15. Mai 2024 zum 21. Mal in Düsseldorf – Talkgästin Dr. Linda Amalou-Döpke, Leiterin Personalcontrolling und -entwicklung, Stadtwerke Düsseldorf AG
30. Apr. 2024

Ersthelfenden-Reanimationsquote betrug 2023 rund 50 Prozent

Bericht des Deutschen Reanimationsregisters: Weitere Anstrengungen zur Steigerung der Quote nötig
30. Apr. 2024

Antimikrobielle Wirkstoffe der Zukunft

HIRI-Forschungsteam führt erste umfassende Studie zu CRISPR-basierten Antibiotika in Klebsiella pneumoniae durch
19. Apr. 2024

Zellbiologie: Molekularer Code regt Pionierzellen zum Aufbau von Blutgefäßen im Körper an

Forschende des KIT entdecken Zelltyp, der Bildung und Wachstum neuer Blutgefäße steuert
18. Apr. 2024

Blutvergiftung: Das muss man über diese Diagnose wissen

Was gibt es nach einer frisch überstandenen Sepsis zu beachten?