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Niederlassung ist auf Dauer immer lohnend – Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff gibt Tipps für angehende Praxisinhaber

In Phasen mit steigenden Zinsen ist die gute Finanzplanung besonders wichtig.

(c) Micolas/Shutterstock.com

Mit steigenden Zinsen werden Praxisfinanzierungen teurer. Banken legen bei der Kreditvergabe strengere Maßstäbe an. Wer wirklich entschlossen ist, sich niederzulassen, wird sich von dieser Entwicklung nicht schrecken lassen, sondern herausgefordert fühlen, seine Businessplanung besonders ehrlich und realistisch anzugehen. Tragfähige und durchdachte Konzepte überzeugen in der Regel die Bank und die künftigen Patienten.

Bis vor Kurzem stellte die Finanzierung einer Zahnarztpraxis noch keine große Herausforderung dar. Vieles war möglich, solange die Bank überzeugt werden konnte, dass die Praxis eine solide Grundlage für den Lebensunterhalt des Zahnarztes darstellen würde. Mit dem Anstieg der Zinsen steigen jedoch nicht nur die Belastungen für Praxisinhaber.

Belastungen über die Kreditlaufzeit steuern

Um dies zu verdeutlichen, eignet sich das Beispiel von Dr. Neu, der eine Praxis übernimmt. Er zahlt 250.000 Euro an den abgebenden Kollegen und plant weitere 150.000 Euro für neue Geräte und Renovierungen ein. Da die Kosten von Anfang an anfallen und zusätzliche Ausgaben für Werbematerial, Beschilderung und Erstausstattung mit Material erforderlich sind, rechnet er mit weiteren 100.000 Euro an „Betriebsmitteln“. Insgesamt ergibt sich ein Investitionsvolumen von 500.000 Euro, das er über zehn Jahre finanzieren möchte.

Während sich im vergangenen Jahr bei gleichem Finanzierungsvolumen die Zinsen im ersten Jahr auf 5.000 Euro p.a. (Effektivzins von 1 Prozent) beliefen, zahlt man inzwischen 25.000 Euro p.a. (Effektivzins von 5 Prozent). Das bedeutet, dass Dr. Neu jedes Jahr 50.000 Euro tilgt und anfangs noch 25.000 Euro Zinsen bei einem Zinssatz von 5 Prozent zahlen muss. Das entspricht fast 6.250 Euro, die jeden Monat als Zins- und Tilgungszahlungen – sogenannte Annuität – an die Bank fließen.

Wenn Dr. Neu sich für zwei tilgungsfreie Jahre entscheidet, zahlt er die ersten beiden Jahre nur Zinsen in Höhe von knapp 2.100 Euro pro Monat. Ab dem dritten Jahr erhöht sich die monatliche Belastung jedoch auf 7.300 Euro, da die 500.000 Euro nun in acht Jahren zurückgezahlt werden müssen.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 11/23 der „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin. Sie ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Neben den Finanzierungskosten muss eine Gründerin oder ein Gründer noch mit hohen Gehaltsforderungen bei Neueinstellungen rechnen sowie zunehmend mit indexierten, an den Verbraucherpreisindex für Deutschland gekoppelten Mieten bei neu abgeschlossenen Mietverträgen für Praxisräume. Gleichzeitig wachsen die öffentlichen Ausgaben für Gesundheitsleistungen und damit die durchschnittlichen Praxiseinnahmen nicht mehr in dem Maße wie in der Vergangenheit.

Vor diesem Hintergrund dauert es womöglich länger, bis sich die Praxis wirtschaftlich gefestigt hat. Da kann es sinnvoll sein, eine längere Laufzeit für die Finanzierung zu wählen, beispielsweise 15 Jahre anstelle von zehn Jahren. Dies würden die monatlichen Raten von 6.250 auf 4.900 Euro reduzieren – oder bei zwei tilgungsfreien Jahren am Anfang im 3. Jahr von 7.300 auf 5.300 Euro.

Zwölf Tipps zur Planung der Praxisfinanzierung

1. Erstellen Sie eine fundierte, belastbare Planung, aus der klar hervorgeht, wie viel Geld Sie benötigen und in welcher Zeit Sie realistischerweise die Gründungsfinanzierung zurückführen können. Daraus ergibt sich auch die Tilgungsfähigkeit für die Bank und die notwendige Kreditlaufzeit.
2. Stellen Sie sicher, dass Ihre Planung einen angemessenen, das heißt persönlich realistischen und angestrebten Lebensunterhalt berücksichtigt.
3. Die Bank prüft auf Grundlage Ihrer Planung Ihre künftige Tilgungsfähigkeit und das Kreditrisiko. Erwartete höhere Risiken führen zu höheren Zinsen und können sogar die Finanzierung des Vorhabens gefährden.
4. Achten Sie darauf, dass auch bei leichten Abweichungen von der Planung oder bei einem leicht erhöhten Privatbedarf die monatlichen Zins- und Tilgungszahlungen an die Bank geleistet werden können, ohne dass Ihr Kontokorrent ins Minus geht und Sie unter Druck geraten. Planen Sie den Kreditbedarf nicht zu eng!
5. Planen Sie nur Investitionen, die wirklich für die ersten Jahre sinnvoll und notwendig sind. Orientieren Sie sich nicht daran, was Sie in der Klinik an Geräte genutzt haben. Es kann auch sinnvoll sein, ein Behandlungszimmer erst einmal leer stehen zu lassen und erst bei gutem Verlauf einzurichten. Umgekehrt macht es aber auch keinen Sinn, mit völlig überalterter Technik des Vorgängers zu starten, um die Finanzierung möglichst gering zu halten.
6. Planen Sie die wirtschaftliche Anlaufzeit (die ersten Jahre) Ihrer Praxis vor dem Hintergrund der absehbaren Marktentwicklung.
7. Prüfen Sie rechtzeitig, ob für Sie eine öffentliche Finanzierung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW; Gründerkredit, Startgeld, ERP-Förderkredit) in Betracht kommt?
8. Planen Sie – falls erforderlich – tilgungsfreie Jahre von Anfang an mit ein.
9. Berücksichtigen Sie bereits in der Planung, dass am Ende der Kreditlaufzeit die Tilgung in aller Regel aus versteuerten Gewinnen bezahlt wird. Stellen Sie schon in der Planung sicher, dass die Liquidität auch in den letzten Jahren der Kredittilgung nicht knapp wird.
10. Stellen Sie sicher, dass Sie den Kredit der Bank auch wirklich dann abrufen können, wenn er zur Verfügung steht. So vermeiden Sie sogenannte Vorfälligkeitsentschädigungen.
11. Falls steigende Zinsen zu erwarten sind oder die Zinsentwicklung unsicher ist, vereinbaren Sie eine Zinsbindung über die gesamte Laufzeit des Kredits. Nur wer niedrigere Zinsen erwartet, wählt kürzere Zinsbindungen.
12. Vereinbaren Sie mit der Bank, dass im Falle eines besonders erfolgreichen Verlaufs der Gründung Sondertilgungen ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich sind.


Mit realistischer Praxisplanung überzeugen

Banken, die auf Heilberufe spezialisiert sind, zeigten sich in der Niedrigzinsphase sehr großzügig bei der Bewilligung von Praxisfinanzierungen, denn Kreditausfälle waren extrem selten. Heutzutage sind Praxisübernahmen und Praxisneugründungen komplexer geworden, und dies berücksichtigen auch die finanzierenden Banken. Sie prüfen nun genauer, ob die Planung realistische Annahmen enthält oder ob die Zahlen in Excel-Tabellen so lange angepasst wurden, bis sie ein gewünschtes, aber realitätsfernes Ergebnis mit geringem Bezug zu den tatsächlich zu erwartenden Geldzu- und -abflüssen abbildeten.

Die Banken möchten vor allem sicherstellen, dass der Zahnarzt mit der Praxis eine tragfähige Existenz aufbaut und ausreichend verdient. Und es wird auch stärker hinterfragt, ob jede Investition für das konkrete Vorhaben wirtschaftlich tatsächlich sinnvoll ist.

Gute Chancen auf dem Land

Herausfordernde Zeiten bieten auch besondere Chancen für Praxisgründer und ­gründerinnen. Die Nachfrage nach Praxisübernahmen ist gesunken, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo viele Praxisinhaber keine Nachfolger finden. Dies führt in Kombination mit den höheren Zinsen zu niedrigeren Übernahmepreisen. Wer als angehender Zahnarzt/Zahnärztin bereit ist, von der Stadt ins ländliche Umfeld zu pendeln oder sogar seinen Lebensmittelpunkt aufs Land zu verlegen, trifft zurzeit auf ein großes Praxisangebot.

Selbstbestimmtheit als starkes Gründungsmotiv

Auch zu Zeiten, als die heutigen Praxisabgeber gründeten, waren die Zinsen hoch. Trotzdem haben die meisten Niedergelassenen weit mehr an Lebenseinkommen erwirtschaftet, als angestellte Zahnärztinnen/Zahnärzte/Ärztinnen und Ärzte – Chefärzte und Chefärztinnen einmal ausgenommen. Auch heute ist die Niederlassung für viele nicht nur persönlich der richtige, sondern auch ein erfolgversprechender Weg. Die Freiheit der Freiberufler bleibt trotz aller Reglementierungen ein starkes Motiv. Wer sich niederlassen will, sollte frühzeitig einen qualifizierten Berater ohne Provisionsinteresse konsultieren.

Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff, Köln

Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff
Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff
Foto: Bischoff&Partner
Professor Dr. Johannes Georg Bischoff ist seit 1985 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Kanzleigruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner®mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin. Weitere Meeting-Points befinden sich in Mannheim, Hamburg und Frankfurt. Mit rund 120 Mitarbeitern betreut die Kanzleigruppe bundesweit mehr als 1.000 Zahnärzte, Ärzte und mittelständische Unternehmen in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen. Zusammen mit Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern und BWL-Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal entwickelte Professor Dr. Bischoff ein Steuerungsinstrument für Zahnarzt- und Arztpraxen. PraxisNavigation®ist mittlerweile in Hunderten von Praxen etabliert und wird Mandanten kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Prof. Dr. Bischoff veröffentlicht regelmäßig in der dentalen Fachpresse, unter anderem in der Quintessenz Zahnmedizin, und bis heute besuchten mehr als 12.000 niedergelassene Zahnärzte seine Seminare zum Thema „Moderne Praxissteuerung“. Der in Ludwigshafen geborene Steuerberater lebt mit seiner Familie in Bergisch Gladbach und hat zwei Töchter und zwei Söhne.

 

 


 

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 11/23 med.dent.magazin Wirtschaft Praxis

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