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ITI-Workshop zeigt Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Scanverfahren mit IOS

Intraoralscanner wie der 3Shape Trios5 erhöhen den Patientenkomfort und verkürzen die Behandlungszeit bei der implantatprothetischen Rehabilitation.

(c) Straumann Group

Bei welchen Indikationen punkten Intraoralscanner im Vergleich zu konventionellen Abformungen? Auf welcher Grundlage können Zahnärztinnen und Zahnärzte entscheiden, welche Verfahrensweise sich für ihre Patientinnen und Patienten empfiehlt? Ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass sich Abformmaterialien aus dem implantatprothetischen Workflow verbannen lassen? Antworten darauf gaben Dr. Monika Bjelopavlovic MSc, Oberärztin an der Universität Mainz, und Dr. Kay Vietor, Fachzahnarzt für Oralchirurgie mit eigener Praxis im Hessischen Langen anlässlich des ITI (International Team of Implantology)-Kongresses 2023 in Dresden. Mit ihrem Workshop „Abdruck oder Scan“ boten die gefragten ITI-Fellows den Teilnehmenden eine praxisnahe Orientierungshilfe mit wissenschaftlicher Evidenz und veranschaulichten die jeweiligen Stärken der beiden Vorgehensweisen.

Die digitale Abformung mit einem Intraoralscanner zählt zu den vieldiskutierten Themen in der Zahnheilkunde und viele Praxen, die auf digitalisierte Arbeitsabläufe setzen, nutzen die lichtoptische Datenerfassung mittels IOS für passgenaue implantatprothetische Rehabilitationen. „Hinsichtlich digitalem Workflow gelten weiterhin die klinischen Empfehlungen der 6. ITI Consensus Konferenz von 2018“, erklärte Dr. Kay Vietor, ohne zu verhehlen, dass sie mit Blick auf die Fortschritte bei digitalen Praxisabläufen „fast schon ‚vorsteinzeitaltlich‘ wirken“.

Zusammengefasst lauten die aktuell geltenden klinischen Empfehlungen des ITI, erinnern Vietor und Bjelopavlovic zu Beginn ihres Workshops, dass die digitale Abformung mittels Intraoralscan

  1. für Einzelzahnrestauratioen absolut empfehlenswert ist;
  2. von großen implantären Spannen nicht für den „Alltagsgebrauch“ empfohlen wird und
  3. für den zahnlosen Kiefer nicht geeignet ist.

Die unter 2. und 3. genannten Empfehlungen von 2018 bedürften jedoch inzwischen klar der Diskussion, verdeutlichte schnell der erfahrene Implantologe und Chairman der ITI-Taskforce Deutschland für digitale Optionen in der Implantologie. „Digitalisierte Behandlungsabläufe und Fertigungsmethoden sind eindeutig labor- und praxistaugliche Prozesse und besonders in den vergangenen Jahren waren die Fortschritte bei den Intraoralscannern immens.“

„Ein Blick in die Literatur der vergangenen fünf Jahre zeigt, dass deutlich an der Thematik geforscht wird“, hebt Prothetik-Spezialistin Dr. Monika Bjelopavlovic hervor und ergänzt: „Sogar bei Zahnlosigkeit können digitale Prozesse durchaus funktionieren, wie sich in ersten In vivo-Studien zeigt. Dafür werden entsprechende Scanbodies benötigt und Orientierungshilfen“, worauf die Referenten im weiteren Verlauf des Workshops eingehen.

Jedoch sei Digitalisierung nicht Selbstzweck. Sie „ersetzt kein chirurgisches oder prothetisches Know-how, sondern unterstützt den Behandler und erleichtert einen effizienten Arbeitsablauf“, unterstrich die Mainzer Oberärztin: „Den konventionellen Weg sollte man immer als Rüstzeug in der Tasche haben, um gegebenenfalls auf einen ‚Plan B‘ zurückgreifen zu können. Wir alle sind auch Handwerker und der konventionelle Weg gehört zum fundamentalen Handwerk, den wir beherrschen müssen.“

Vietor zeigte die Abbildung eines sechs Jahre zurückliegenden Falls („Auf diese Weise habe ich das vor langer Zeit gemacht; das interessiert mich nicht mehr, denn es geht heute besser!“) und hob die Vorteile der digitalen Abformung deutlich hervor, die „schneller geht und den gesamten Prozess effizient macht. Ich kann am Rechner die Fertigung mit wenigen Klicks anstoßen.“ Darüber hinaus sei die digitale im Vergleich zur konventionellen Abformung auch für Patientinnen und Patienten komfortabler, ohne Abdrucklöffel oder Abformmasse entfallen unangenehme Begleiterscheinungen wie zum Beispiel Würgereiz.

Scan-Strategie mit Pre-Preparationscan, Emergenzprofil- und Scanbody-Scan

Mit praktischen Übungen an konkreten Modellsituationen und praktischen Tipps veranschaulichen Vietor und Bjelopavlovic Schritt für Schritt die Scan-Vorgänge mittels Handstück des neuen Trios5 und wie die empfohlene Scan-Strategie aussehen kann.

Pre-Preparationscan

Vietor: „Zu meiner Routine gehört der Pre-Preparationscan des Implantatfalls mit Gingivaformern beziehungsweise Provisorien in situ. Damit erfasse ich die okklusalen Verhältnisse und die Situation, die im Vorfeld existiert, an der sich auch das Dentallabor orientieren kann.“ Während Bjelopavlovic den Teilnehmenden dann individuell an ihren Rechnern half, demonstrierte Vietor am Modell, wie es geht und übertrug den Vorgang per Beamer. Sein Scan-Pfad beginnt im Oberkiefer okklusal („Direkt auf Kontakt gehen“), dann wechselt er an die Front, kippt das Handstück, „um sowohl die bukkalen als auch die palatinalen Flächen zu erfassen.“ Anschließend setzt er den Scan-Pfad an den hinteren Zahnreihen fort, von bukkal nach palatinal. „Wenn der Scanner den Pfad verloren hat, geht man wieder zurück und wiederholt.“ Mit seinem Tipp, „einen Scan, mit dem man nicht zufrieden ist, einfach verwerfen und neu anfangen. Dafür benötigt man weniger als eine Minute!“ veranschaulichte der Experte die auf den digitalen Workflow angepasste Denkweise. „Einen Abdruck neu zu machen, davor scheut man eher zurück, da er einen ganz anderen Aufwand bedeutet. Bei der digitalen Abformung ist ‚Löschen‘ eine wichtige Funktion.“
Der Datensatz wird über das 3Shape Communicate-Portal an das Dentallabor geschickt. „Mein Zahntechniker erhält zusätzlich ein Okklusionsprotokoll. So lässt sich überprüfen, ob ich richtig gescannt habe.“ Die Gegenkiefer würden in der Praxis ebenfalls gescannt, im Workshop entfällt dieser Schritt.

Emergenzprofil-Scan

Der nächste Scan ist der Emergenzprofilscan, der das Schleimhautprofil (mit herausgeschraubten Gingivaformern) erfasst. Bevor der Emergenzprofil-Scan durchgeführt wird, werden mithilfe der virtuellen Ausschneidefunktion Gingivaformer oder wie in diesem Fall temporäre Restaurationen ausgeschnitten. „Das mache ich, indem ich mit dem Finger am Touchpad den zuzuschneidenden Bereich umfahre. Alternativ steht die Maus zur Verfügung.“ Nach der Vorbereitung am Rechner werden klinisch die Gingivaformer respektive die Provisorien (wie im Fall einer Modellsituation im Workshop) entfernt und der Emergenzprofilscan kann starten.
„Dabei ist entscheidend, die Gingivakonturen um das Implantat zügig zu erfassen, bevor das Gewebe kollabiert.“ Sein Tipp, wenn „ein mechanischer Kollaps droht: ebenso die Provisorien scannen und mit ins Dentallabor geben. Dann hat das Labor das Original-Emergenzprofil zusätzlich.“ Der Experte ist überzeugt, dass dieses Vorgehen um ein Vielfaches besser ist „als eine standardmäßige analoge Abformung ohne einen individualisierten Abformpfosten.“ Der Trios legt automatisch vor jedem Scan eine Kopie des vorangehenden Scans an.

Scanbody-Scan

„Der dritte Scan in der Regel ist der Scanbody-Scan. Dabei zeigen die eingefügten Referenzkörper, also die auf den Implantaten geschrauben Scanbodies, der hinterlegten Software, wo das Implantat sitzt, wie es ausgerichtet ist und wie die Konstellation ist.“ Begeistert beschrieb Vietor die Zeitersparnis: „In dem Moment, wo ich loslege, habe ich den größten Teil bereits erfasst. Das Ganze ist in Sekunden erledigt!“
Die Scanbodies weisen eine individuelle Form auf und können in der Software anhand von Implantatdatenbanken exakt positioniert werden. „Die abgeflachte Fläche der Scanbodys sollte nach vestibulär zeigen, dann erfolgt der Scan der Scanbodies mit leicht kreisenden Bewegungen, so dass die Oberfläche möglichst in einem Zug und zügig erfasst wird.“ Die Zahntechniker arbeiten auf dem Emergenzprofilscan. Vietor: „Der Scanbody-Scan dient nur dazu, die Information der Implantatposition in den Emergenzprofilscan zu transferieren.“

Tipps für das intraoperative Scannen

Grundsätzlich sind die Bereiche und Strukturen erfass- und digitalisierbar, die für die Aufnahmeoptik erkennbar sind. Wie auch bei konventionellen Abformungen werden Bereiche, die zum Beispiel durch Blutungen überlagert werden, nicht erfasst. „Ich mache heute fast bei jedem Implantat einen intraoperativen Scan und führe derzeit im Rahmen einer Studie Genauigkeitsmessungen durch“, erklärt Vietor. Natürlich könne der Scan nicht im Anschluss an eine „Augmentation mit starker Blutung“ erfolgen.

„Beim intraoperativen Scan organisiere ich den Ablauf so, dass ich als erstes die Implantate setze und mit Scanbodys scanne. Wenn ich einen Lappen gebildet habe, komprimiert die Assistenz diesen mit zwei Mullkompressen und saugt noch einmal gründlich. Dann habe ich wenige Sekunden Zeit, um zu scannen – das reicht.“ Notfalls könne eine Kompressionsnaht weiterhelfen. Entscheidend sei ein gutes Miteinander im Team, darüber hinaus sei es wichtig, den Zeitaufwand intraoperativ so kurz wie möglich zu halten. „Ein häufiger Fehler beim intraoperativen Scannen ist es, den kompletten Scan anzufertigen, also den gesamten Kiefer inklusive der Implantate. Das ist völlig unsinnig“, merkte Vietor kritisch an. Den bereits vorhandenen Scan des Falls könne man duplizieren, den betroffenen Bereich ausschneiden „und dann nur den OP-Bereich wieder hinzufügen“. Ein weiterer Tipp: „Intraoperativ nehme ich in schwarz-weiß auf. Denn wenn die Farben ausgeschaltet sind, kann ich die Oberflächen sehr viel leichter differenzieren.“

Ganz praxisnah lernten die Teilnehmenden des Workshops, wie ein Auftrag für das Labor angelegt wird und welche Informationen notwendig sind, „damit sich der Intraoralscanner entsprechend einrichtet“, so Vietor. „Sie dürfen nicht einfach scannen, sondern immer vorausschicken, um welche Arbeit es geht. Zum Beispiel wenn es um Präparationsgrenzen geht, muss angegeben werden, dass es eine Präparation ist, die erfasst werden soll.“ Die Referenten erinnerten daran, dass das „Aneinanderstitchen der Bilder, wie es bei IOS-Aufnahmen üblich ist, umso problematischer wird, je größer die Schleimhautareale werden“.

Große interimplantäre Spannen – „Den Patientenfall lesen“

Grundsätzlich sollte bei großen interimplantären Spannen die Frage beantwortet werden: „Lässt sich das gut scannen?“ Die Antwort könne nur patientenindividuell erfolgen. „Wenn Ankerpunkte wie etwa kleine Narben, eine breite befestigte Gingiva und gut erkennbare Strukturen vorhanden sind, könne unter Umständen gut gescannt werden, obwohl eine große interimplantäre Spanne erfasst werden soll. Der Schlüssel zum Erfolg auch bei grenzwertigen Fällen liege darin, „den Patientenfall zu lesen und sich mit kleinen Maßnahmen Orientierungsstrukturen zu schaffen, an denen sich der IOS entlangarbeiten kann“ beschreibt Vietor. „Das können vorgefertigte Scan Flags sein oder ich lasse ein Flow-Composite über die Gingiva laufen und verbinde die Scanbodies miteinander – möglichst unregelmäßig. An dieser Struktur orientiert sich der Scanner blendend!“ Augenzwinkernd ergänzte Vietor: „Erst denken, dann scannen.“

„Im Zweifel“, plädierte Bjelopavlovic, „würde ich mich bei großen interimplantären Spannen, zum Beispiel bei Fünfgliedrigkeit mit drei Implantaten und fehlender Orientierung, auf die aktuelle wissenschaftliche Empfehlung stützen, das ist fundiert.“ Gleichwohl, fasste die Oberärztin zusammen, „sind digitale Abläufe immer besser untersucht und wir kommen nicht drumherum, uns damit auseinanderzusetzen. Wenn wir uns in fünf Jahr hier treffen, sieht die wissenschaftliche Welt ganz anders aus!“

Fazit

Insgesamt verdeutlichte der Workshop, dass es in der modernen Praxis beim Thema ‚Digital versus analog‘ weniger um eine „Entweder-oder“-Entscheidung geht, sondern um ein „Sowohl-als-auch“. Es wird klar: Digitale Techniken erleichtern einen effizienten Arbeitsablauf, unterstützen Behandler und ermöglichen Patienten eine komfortablere implantatprothetische Rehabilitation. Nichtsdestoweniger muss man sich mit den Abläufen der Intraoralscanner vertraut machen, Scanstrategien beherrschen und erkennen, besonders bei großen interimplantären Spannen, welche intraorale Situation für einen Scan noch geeignet sein kann und bei welcher man auf konventionelle Methoden setzen sollte.

Wer mit der Zeit geht, kommt an der digitalen Transformation (vollständige Umwandlung bestehender Prozesse) oder zumindest an der Digitalisierung (Analoges auf digital umstellen durch digitale Technologien) in der Praxis kaum vorbei. Es gehört die Bereitschaft dazu, sich auf eine andere, der Digitalisierung angepassten Denkweise einzustellen. Wie in allen Bereichen gilt auch hier: „Man muss seine Tools kennen!“ so betonen die ITI-Referenten: „Es gibt unterschiedliche Anbieter, unterschiedliche Produkte und die sind unterschiedlich gut.“
Mit vielen Tipps aus der Praxis für die Praxis verdeutlichten Vietor und Bjelopavlovic, dass auch bei der digitalen Abformung die Erfahrung das Maß aller Dinge ist und ein eingespieltes Team für ein verlässliches Scanergebnis und für ein nachhaltiges ästhetisches Gesamtergebnis notwendig ist.

Reference: Zahnmedizin Digitale Zahnmedizin Implantologie Fortbildung aktuell

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