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„Warnemünder Erklärung“ der BZÄK mit Forderungen und Vorschlägen zum Erhalt der zahnärztlichen Versorgung an die Politik

Auch auf dem Land, wie hier in Sachsen-Anhalt, werden Zahnärztinnen und Zahnärzte gebraucht.

(c) BG Media/Shutterstock.com

Die inhabergeführte „Hauszahnarztpraxis“ hat Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt, so die Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Sie selektiere nicht, werde den Anforderungen des ländlichen Raums optimal gerecht und decke den Großteil der Patientenbedürfnisse in hoher Qualität und bei herausragender Patientenzufriedenheit ab. Dennoch „schwächeln“ die Niederlassungszahlen im ländlichen Raum, so die BZÄK.

Nun hat die BZÄK in ihrer Warnemünder Erklärung drei wesentliche Gründe dafür zusammengefasst und schlägt Ideen zur Lösung mit vier konkreten Ansätzen vor:

  • Auswahl der Studierenden
  • Auswahl des Standorts
  • Kommunale Unterstützung
  • Finanzielle Anreize

Mit diesen Denkanstößen und Forderungen soll die klassische ambulante Versorgung in der „Hauszahnarztpraxis“, im Sinne von Zahnarzt oder Zahnärztin in eigener Praxis, als Nukleus einer zukünftigen zahnärztlichen Versorgung gestärkt werden. Damit soll auch die Versorgung in ländlichen Gegenden sichergestellt werden, ohne aufwendige und teure Doppelstrukturen zu schaffen, heißt es.

Stimme für die Niederlassung erheben

Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer
Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer
Foto: BZÄK/Lopata
Prof. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, erklärte zum Hintergrund der Erklräung gegenüber Quintessence News: „Das Gesundheitssystem steht vor massiven Veränderungen. Diese ergeben sich einerseits aus gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen, auf die die Politik reagieren muss. Andererseits aber auch aus polit-ideologischen Überlegungen, die aus unserer Sicht einen Schritt in die Staatsmedizin, quasi einen deutschen NHS, bedeuten könnten. Hier müssen und wollen wir unsere Stimme im Sinne einer Stärkung der Niederlassung erheben und bieten uns der Politik als Gesprächspartner für die vor uns stehenden Aufgaben an!“

Optionen des SGB V nicht explizit erwähnt

Nicht explizit in der (unten wiedergegeben) Erklärung aufgeführt ist der Einsatz der Steuerungsmittel, die den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen nach Paragraf 105 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Strukturfonds und weiteren Maßnahmen, auch gemeinsam mit den Krankenkassen und Kommunen, zur Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung zur Verfügung stehen. Davon wird in den KZVen bereits Gebrauch gemacht, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, Hessen und Bayern.

PKV-Verband mit Initiative für Gesundheitsnetzwerke

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) hat ebenfalls eine Initiative zur ärztlichen Versorgung auf dem Land gestartet. Gemeinsam mit der Forschungsgruppe Digital Health präsentierte er am 19. Oktober 2023 eine Studie, die bereits existierende Beispiele für Gesundheitsnetze untersucht hat, mit denen die Versorgung auch auf dem Land gesichert werden könnte. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) hat in Kooperation mit Dr. Peggy Richter und Dr. Hannes Schlieter von der Forschungsgruppe Digital Health an der TU Dresden in sieben Fallstudien exemplarisch die Entwicklung von Gesundheitsnetzen in Deutschland untersucht und dabei Hürden und Erfolgsfaktoren identifiziert.

„Gesundheitsnetze können die medizinische Versorgung in strukturschwachen Regionen sichern. Besonders erfolgreich sind sie, wenn sie die Koordination einer Managementgesellschaft übertragen, mit nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen arbeitsteilig kooperieren und über eine reibungslose digitale Infrastruktur verfügen“, erklärt Dr. Timm Genett, Geschäftsführer Politik beim PKV-Verband. „Dauerhaft werden Gesundheitsnetze Versorgungslücken auf dem Land nur schließen können, wenn die lokalen Gesundheitsberufe entsprechende rechtliche und finanzielle Spielräume bekommen. Die Politik muss lokale Lösungen ermöglichen. Bundeseinheitliche Parallelstrukturen brauchen wir dagegen nicht.“

Die Studie soll nicht nur einen Beitrag zur versorgungspolitischen Debatte leisten, sondern Akteurinnen und Akteuren vor Ort Impulse geben. Dafür wird mit der Website www.neue-gesundheitsnetze.de auch eine interaktive Plattform für den Ideenaustausch bereitgestellt. Hier können die Nutzer weitere Beispiele für innovative und ressourceneffiziente Gesundheitsnetze einbringen.

Reaktionen zur „Warnemünder Erklärung“

Zum Thema lesen Sie auch die Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter, „Hauszahnarzt – ein neuer berufspolitischer Weg?“ und die kritische Würdigung von Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, früherer Kammerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern, „Neue berufspolitische Wege im ländlichen Raum?“

 

„Warnemünder Erklärung“ der Bundeszahnärztekammer

Die „Hauszahnarztpraxis“1 als Nukleus moderner Zahnmedizin bei sich ändernden Rahmenbedingungen

Die inhabergeführte „Hauszahnarztpraxis“ hat Deutschland an die Weltspitze der Mundgesundheit geführt. Sie selektiert ihre Patientinnen und Patienten nicht nach Rendite, und sie wird den Anforderungen des ländlichen Raumes optimal gerecht. Gleichzeitig arbeitet sie gemeinwohlorientierter als Investoren oder die öffentliche Hand dies organisieren könnten. Die „Hauszahnarztpraxis“ deckt den Großteil der Patientenbedürfnisse in hoher Qualität und bei herausragender Patientenzufriedenheit ab und stützt sich regelmäßig auf ein streng qualitätsorientiertes Überweiser-Netzwerk.

Unser aktuelles Problem

Die Studie „Berufsbild angehender und junger Zahnärztinnen und Zahnärzte“ des Instituts der Deutschen Zahnärzte (sog. Y-Studie des IDZ) lässt ebenso wie die Erfahrungen der zahnärztlichen Körperschaften erkennen, dass es unter jungen Kolleginnen und Kollegen einen Trend zur Anstellung und gegen die Niederlassung in eigener Praxis gibt. Besonders deutlich zeigt sich dies bei den Niederlassungszahlen im ländlichen Raum.

Drei wesentliche Gründe

Das Image der Niederlassung in eigener Praxis hat gelitten. Drei Gründe stehen dabei im Vordergrund:

  • Die Gesundheitspolitik in Deutschland hat viel zu lange Geld und Ressourcen in den stationären Bereich mit angestellten Ärztinnen und Ärzten gesteckt. Die eigenverantwortliche ambulante Grundversorgung, zu der auch die Zahnmedizin zählt, wurde mehr und mehr vernachlässigt.
  • Übertriebene und widerlegte Äußerungen nach dem Motto, die „kleine Praxis“ werde den Anforderungen an die moderne Zahnmedizin nicht mehr gerecht, eine Landpraxis sei finanziell nicht ausreichend auskömmlich und nur die Anstellung mache Verwaltung und Bürokratie erträglich, haben ebenfalls zu dem schlechten Image beigetragen.
  • Dieses negative Image trifft auf junge Menschen, die nach der aktuellen Sichtweise ihren Schwerpunkt neben der Arbeit auch auf andere Faktoren wie Work-Life-Balance legen und die sich mit langfristiger ortsfester Lebensplanung schwerer tun.
     

Unsere Lösungsansätze

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht vor weitreichenden Veränderungen, die zu einem neuen Verständnis von stationärer und ambulanter Versorgung führen sollen. Neben dem zu begrüßenden Bekenntnis zur Ambulantisierung sind es vor allem Tendenzen hin zu einer staatsnahen neuen Versorgungssäule, die wir sehr kritisch sehen. Die kostenintensiven Doppelstrukturen und Großeinheiten würden in Konkurrenz zur bestehenden ambulanten Versorgung stehen.
Mit unseren Denkanstößen und Forderungen wollen wir die klassische ambulante Versorgung in der „Hauszahnarztpraxis“ als Nukleus einer zukünftigen zahnärztlichen Versorgung stärken und damit auch die Versorgung in ländlichen Gegenden sicherstellen, ohne aufwendige und teure Doppelstrukturen zu schaffen.

Vier konkrete Ansätze

1. Auswahl der Studierenden: Es muss besser gelingen, die Auswahl der Studentinnen und Studenten der Zahnmedizin an den Bedürfnissen der zahnärztlichen Praxis zu orientieren. Die Abiturnote hat sich hier leider als nicht immer zielführend herausgestellt. Im Dialog mit den Universitäten wollen wir klären, wie sich die Quote derjenigen Studentinnen und Studenten erhöhen lässt, die im individuellen Gespräch ausgewählt werden. Dieser Ansatz erfordert einen großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand, bei dem die Kollegenschaft der Hochschule helfen kann.

2. Auswahl des Standorts: Einzelne erfolgreiche Zahnarzt-Recruiting-Kampagnen (zum Beispiel in der sächsischen Gemeinde Ehrenfriedersdorf) zeigen, wie man heute mit Videos und O-Tönen Aufmerksamkeit jenseits gedruckter Anzeigen erzeugt. Was uns bislang fehlt, ist ein digitales Angebot, das Examensabsolventen ohne „Landerfahrung“ anspricht. Sinnvoll wäre ein deutschlandweites Portal, in dem ohne kommerziellen Hintergrund vakante Landpraxisstandorte ausführlich vorgestellt werden: Freizeitwert, Familienfreundlichkeit, Patientenaufkommen, Infrastruktur, besondere Angebote der Gemeinde.

3. Kommunale Unterstützung: Sehr sinnvoll sind Beratungs- und Begleitungsangebote der (Landes-)Zahnärztekammern in enger Kooperation mit den Kommunen: Von der Standortentscheidung bis zur Einweihungsfeier. Kommunen und Gemeinden könnten an wichtigen Standorten infrastrukturell erschlossene Ärztehäuser errichten, deren Teilpraxen an Vertreterinnen und Vertreter ärztlicher Disziplinen vermietet werden und später auch erworben werden können. Alternativ wären zinsbegünstigte Kredite sinnvoll. Wichtige weitere Standortmerkmale sind Kindertagesstätten, Schulen, Internet und eine gute Verkehrsanbindung.

4. Finanzielle Anreize: Die Förderung der Landpraxis durch GKV und PKV und/oder die öffentliche Hand könnte Zahnärztinnen und Zahnärzten helfen, über die psychologische Hürde der Landniederlassung zu gelangen.

1 Als „Hauszahnärztin/arzt“ in diesem Sinne ist der Zahnarzt/die Zahnärztin in eigener Praxis zu verstehen.

Reference: Politik med.dent.magazin Nachrichten

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