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Zahnärzteschaft in Sachsen-Anhalt und Sachsen weist auf Probleme durch fehlenden Nachwuchs und weniger Praxen hin – Politik muss handeln

Machten beim Neujahrsempfang der Heilberufe in Sachsen-Anhalt auf die Probleme in der zahnärztlichen Versorgung aufmerksam: Kammerpräsident Dr. Carsten Hünecke und Dr. Dorit Richter, stellvertretende KZV-Vorsitzende.

(c) © Viktoria Kühne

Die Zahn- und Mundgesundheit der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt könnte sich infolge des Zahnärztemangels deutlich verschlechtern, warnte Dr. Dorit Richter, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZV Sachsen-Anhalt, bei einem Pressegespräch am Rande des Neujahrsempfangs der Heilberufler Sachsen-Anhalt am 10. Januar 2024. Ein erstes klares Anzeichen sei der aktuelle Anstieg an Schmerzpatienten in den Praxen.

Gerichtet an die Politik fordert Richter unterstützende Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung und eine deutliche Entlastung der Praxen. Denn es gebe für die zahnärztliche Versorgung – anders als bei der ärztlichen – kein Auffangnetz in den Kliniken für die Patientinnen und Patienten.

Patienten finden keine neue Praxis mehr

Im vergangenen Jahr sind 55 Zahnarztpraxen in Sachsen-Anhalt ohne Nachfolge aus der zahnmedizinischen Versorgung ausgeschieden, so die Zahlen der KZV Sachsen-Anhalt. Jede dieser Praxen betreute einen Patientenstamm von mehreren tausend Personen, die nur zum Teil von anderen Praxen als Neupatienten aufgenommen werden konnten. Viele müssen nun aktiv nach einer neuen Zahnarztpraxis suchen oder bleiben unversorgt. So meldeten sich immer mehr Zahnarztsuchende bei der KZV und der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt. Die Situation wird künftig noch dramatischer, da die Anzahl der im Land tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte in den kommenden Jahren altersbedingt weiter abnimmt und Nachfolger kaum zu finden sind.

Probleme auch in Sachsen

Auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen berichtet zum Jahresbeginn von zunehmenden Problemen, weil Zahnärztinnen und Zahnärzte altersbedingt ihre Praxen aufgeben und keine Nachfolgerin/keinen Nachfolger finden. Hier mussten Notdienstkreise neu geordnet werden, mit längeren Wegen für die Patientinnen und Patienten. „Gab es im Jahr 2019 noch 2.427 sächsische Praxen, sank die Zahl im Jahr 2022 auf 2.220 Praxen. Infolge des hohen Altersdurchschnitts der sächsischen Zahnärzteschaft sowie des Mangels an jungen Nachwuchskräften wurde in den letzten Jahren nur etwa jede dritte bis vierte Praxis in Sachsen übernommen. Dieser Trend unterliegt keiner regionalen Besonderheit und betrifft auch Großstädte“, so die KZV Sachsen.

Alle Landesteile in Sachsen-Anhalt betroffen

Dr. Dorit Richter, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZV Sachsen-Anhalt
Dr. Dorit Richter, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZV Sachsen-Anhalt
© Viktoria Kühne
Das ist in Sachsen-Anhalt ähnlich, wie Richter in Magdeburg erklärte. Schon heute zeigten sich besorgniserregende Vorboten des Zahnärztemangels in allen Landesteilen Sachsen-Anhalts: längere Wartezeiten und weitere Wege für die Patienten, ein höherer Zustrom von Schmerzpatienten in den Praxen sowie eine wachsende Zahl von Zahnarztsuchenden. Angesichts dieser Entwicklung warnt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZV LSA vor den Folgen: „Der drastische Rückgang an Zahnarztpraxen im Land wird erhebliche Konsequenzen für die zahnmedizinische Versorgung und die allgemeine Mundgesundheit der Bevölkerung haben. Ohne regelmäßige zahnärztliche Kontrollen und Prophylaxe bleiben Zahnprobleme unentdeckt und unbehandelt. Ohne rechtzeitige Diagnose und Therapie werden Karies, Parodontitis und andere Zahnerkrankungen fortschreiten und schwerwiegender. Langfristig werden höhere Gesundheitskosten entstehen, da unbehandelte Zahnprobleme zu komplexeren und teureren Eingriffen führen.“

Als Zahnärztin mit eigener Niederlassung in Halberstadt kennt Dr. Dorit Richter die aktuelle Stimmung in den Praxen. Sie betont: „Die Versorgung im Land ist am Limit und viele Zahnärztinnen und Zahnärzte sind mit ihren Praxisteams angesichts des immer höheren Patientenzustroms zunehmend frustriert.“

Präventionsorientierte Zahnheilkunde gerät ins Hintertreffen

Die präventionsorientierte Zahnheilkunde, die in den vergangenen Jahrzehnten in allen Bevölkerungsschichten und Altersgruppen zu einer deutlichen Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit geführt habe, gerate immer mehr ins Hintertreffen. Immer weniger Menschen im Land hätten eine Hauszahnarztpraxis, bei der sie regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen können. Vorbeugen sei schon immer die bessere Alternative zum Heilen. Doch aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen stehen in Sachsen-Anhalt immer mehr Schmerz- oder Notfallpatienten vor den Türen der noch tätigen Zahnarztpraxen, so die KZV.

Landesregierung muss unterstützen

Die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte bei der Verbesserung der Mundgesundheit der Bevölkerung stünden auf dem Spiel. „Wenn die Politik nicht anfängt, sich dieser Realität zu stellen, werden die Menschen aus Sachsen-Anhalt künftig an ihren schlechten oder sogar fehlenden Zähnen erkennbar sein“, mahnte Richter. Von der Landesregierung erwartet sie aktives Handeln, beispielsweise die Einführung einer Landeszahnarztquote, um die umfassenden Sicherstellungsmaßnahmen und Förderprogramme der Zahnärzteschaft zur Gewinnung und Bindung des zahnärztlichen Nachwuchses im Land zu unterstützen. (Die KZV LSA bietet unter anderem ein Stipendium für ein Zahnmedizinstudium in Ungarn und weitere Hilfen für Studierende an.)

Belastung durch Kostendämpfungspolitik

Wichtig sei aber auch ein Ende der destruktiven Gesundheitspolitik des Bundes. „Anstatt die verbliebenen Praxen zu stärken, werden diese durch die gegenwärtige Kostendämpfungspolitik der Bundesregierung, die unzureichende und kostspielige Digitalisierungsstrategie sowie ständig zunehmende administrative Anforderungen nur noch weiter belastet“, erklärte Richter.

Kein Auffangnetz durch Kliniken

Sie warnt: „Es muss uns bewusst sein, dass es in der Zahnmedizin im Gegensatz zum hausärztlichen Bereich kein Auffangnetz durch Kliniken gibt. Wenn es keine Zahnarztpraxen mehr gibt, werden die Menschen in vielen Teilen Sachsen-Anhalts unversorgt bleiben.“

Budgetierung belastet Praxen und behindert Versorgung der Parodontitispatienten

Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt
Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt
© Viktoria Kühne
Ein nicht kleiner Teil der schwierigen Rahmenbedingungen für die Zahnärzteschaft in Sachen-Anhalt resultiert aus der seit 2023 geltenden und auch für 2024 greifenden Budgetierung der vertragszahnärztlichen Vergütung. Diese trifft vor allem die im Juli 2021 neu etablierte Parodontitisbehandlung mit ihrer langen Behandlungsstrecke, wie Dr. Carsten Hünecke, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt, ausführte. Gerade in Sachsen-Anhalt mit seiner alternden Bevölkerung werden die schweren Verlaufsformen der Parodontitis diagnostiziert. Die Politik habe bei Inkrafttreten der neuen Richtlinie zugesichert, die er-warteten Mehrausgaben zuzulassen. Mit der im GKV-Finanzstärkungsgesetz 2022 durch das Bundesgesundheitsministerium wieder eingeführten Budgetierung war das vorbei. Bundesweit fiel die Zahl der monatlichen Parodontitis-Neubehandlungen 2023 deshalb um 30 Prozent.

Überschreitung des Budgets droht für 2024

Auch in Sachsen-Anhalt drohe ab 2024 eine Überschreitung des vorhandenen Budgets und damit ein Einbruch der Behandlungszahlen, so Hünecke. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte müssten dann bei der Diagnose einer Parodontitis ihrem ärztlichen Ethos gemäß eine mehrjährige Behandlung beginnen – bekommen diese aber eventuell nicht vollständig bezahlt. Das sorge für viel Frust im Berufsstand, so Hünecke.

Hohe volkswirtschaftliche Folgekosten

Arbeitsausfälle und die Behandlung der Folgeerkrankungen brächten zudem hohe volkswirtschaftliche Folgekosten. Letztlich würde ein Rückgang der Behandlungszahlen die großen Bemühungen Sachsen-Anhalts im Kampf gegen die Volkskrankheiten Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schwächen, kritisierte der Kammerpräsident.

KZV Sachsen muss Notdienstkreise neu strukturieren

Dr. Holger Weißig, Vorstandsvorsitzender der KZVS
Dr. Holger Weißig, Vorstandsvorsitzender der KZVS
Foto: KZVS
Die KZV Sachsen musste jetzt wegen aufgegebener Zahnarztpraxen im Umland und Norden von Dresden die Notdienstbezirke neu aufteilen. Dr. Holger Weißig, Vorstandsvorsitzender der KZVS, kommentierte die Neuaufteilung: „In der Zahnheilkunde kann man durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen das Risiko einer Schmerzbehandlung deutlich reduzieren. Insofern ist im Ausnahmefall ein längerer Weg zum zahnärztlichen Notdienst vertret- und zumutbar.“

Rahmenbedingungen zunehmend ungünstiger

Die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung in Sachsen ist aufgrund ständig steigender Anforderungen an die Praxen bei gleichzeitig gedeckelter Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Zukunft gefährdet, heißt es vonseiten der KZV. Schon jetzt finde nur noch jede dritte bis vierte Praxis im Freistaat einen Nachfolger. Ursachen dafür seien nicht mehr nur der hohe Altersdurchschnitt der Zahnärztinnen und Zahnärzte und der Mangel an Nachwuchs. Auch die Rahmenbedingungen würden zunehmend ungünstiger. Dazu zählen Bürokratielasten, hohe Kosten, Personalmangel sowie eine willkürliche Sparpolitik des Bundesgesundheitsministers.

Kommunen müssen Infrastruktur anbieten

„Durch den Wegfall von Zahnarztpraxen werden sich Patientinnen und Patienten auf weitere Wege einstellen müssen. Dies gilt auch im Notfall, da eine Anpassung der Struktur der Notdienstkreise unerlässlich ist“, so die KZV Sachsen. Diese Neustrukturierung laufe bereits seit einiger Zeit. Ziel sei es, dass Patienten auch künftig eine Zahnarztpraxis in zumutbarer Entfernung möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können. „Hier sind die Kommunen gefordert, die nötige Infrastruktur anzubieten“, so die KZV.

 

Reference: Politik med.dent.magazin Nachrichten

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